27.07.2018

Gehaltvolle Architektur

Einen Erfolg feierte DIA – Dittel Architekten zuletzt mit der Wettbewerbseinreichung für die Gestaltung des baulichen Corporate Designs der deutschen Auslandsvertretungen, die nun Schritt für Schritt implementiert wird. Rendering: Dittel Architekten GmbH

Ob Kultur, Verkehr, Verwaltung oder Freizeit – öffentliche Bauten finden sich in allen Bereichen des täglichen Lebens und stellen Planer vor Herausforderungen. Dabei nehmen Disziplinen wie Denkmalschutz, Szenographie oder Wegeführung eine wechselnd hohe Rangfolge ein. Allen Projekten gemein ist jedoch eine tiefgreifende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema und dessen Übersetzung in architektonische und gestalterische Konzepte.
Das Stuttgarter Büro DIA – Dittel Architekten beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den besonderen Anforderungen von öffentlichen Bauten. Einen Erfolg feierte das Büro zuletzt mit der Wettbewerbseinreichung für die Gestaltung des baulichen Corporate Designs der deutschen Auslandsvertretungen, die nun Schritt für Schritt implementiert wird. Frank Dittel sprach mit Cornelia Gross über die Anforderungen bei der Gestaltung von öffentlichen Gebäuden, Aufenthaltsqualität für Mitarbeiter wie Besucher und über die Kunst, die eigene Kreativität auch mal in den Hintergrund zu stellen.

IF: Herr Dittel, gibt es besondere Herausforderungen oder spezielle Anforderungen die öffentliche Bauten an Planer stellen?
Frank Dittel: Ja die gibt es! Wir hatten es bisher in allen unseren öffentlichen Bauprojekten mit den Themen Denkmalschutz und Barrierefreiheit zu tun.
Des Weiteren gibt es in öffentlichen Gebäuden klare Vorschriften, die sich auf Arbeitsabläufe und Bürostrukturen sowie -größen beziehen. Das heißt, die Entwurfsaufgabe ist relativ klar definiert. Die Herausforderung besteht also darin, die eigene Kreativität mit den vorgegebenen Parametern zu vereinen.
Eine weitere Herausforderung sehen wir vor allem in der Komplexität der öffentlichen Institutionen. Starke Veränderungen in der Konzeption bedürfen teilweise viel Überzeugungsarbeit. Bei unserer Wettbewerbseinreichung für die Gestaltung der Auslandsvertretungen für die Bundesrepublik Deutschland vor drei Jahren wollten wir uns zum Beispiel bewusst von einem "Beamtenflur" lösen, Sichtbezüge schaffen und die Menschen, die dort arbeiten, zusammenbringen. Das ist aufgrund der eben beschriebenen Anforderungskataloge gar nicht so einfach. Neben dem Bauherren müssen natürlich auch die Mitarbeiter und die Betriebsräte überzeugt werden.

IF: Jetzt haben Sie vor allem über die Mitarbeiter gesprochen, die in öffentlichen Bereichen arbeiten und die in erster Linie von der Innenarchitektur profitieren. Wie steht es um die Besucher? Welche Bedürfnisse haben Menschen im öffentlichen Raum im Vergleich zum privaten Raum?
Dittel: Wir erleben, dass insbesondere die Informationen, die in diesen Bereichen transportiert werden sollen, viel klarer und bildlicher sein müssen, sodass sich ein Besucher ohne große Nachfrage oder Hilfe im Gebäude orientieren und bewegen kann. Kommunikations- und Leitsysteme ebenso wie Grafik stehen da natürlich viel mehr im Vordergrund als im privaten oder gewerblichen Bereich.


IF: Die Gestaltung von Leitsystemen aber auch Grafikdesign und vor allem Szenografie, wenn man z. B. an Museen denkt, sind ja ganz eigene Bereiche und Berufsfelder. Haben Sie hierfür Spezialisten in Ihrem Team?
Dittel: Das Thema öffentliche Bauten umfasst sehr viele völlig verschiedene Bereiche. Von Bahnhöfen, die Anforderungen an Infrastruktur stellen, bis hin zu Museen, bei denen es primär um die mehrdimensionale Veranschaulichung von Inhalten geht. Meiner Meinung nach gibt es keine Büros, die diese gesamte Bandbreite an verschiedenen Projekten im öffentlichen Bereich vollumfänglich abdecken können. In unserem Fall würden wir beispielsweise bei einem musealen Bau einen externen Szenografen an Bord holen, denn diese Spezialisierung haben wir nicht im eigenen Team.
Dagegen sind wir bei einem Rathaus oder einer Tourist-Information mit Leitsystemen und Kommunikationsdesign konfrontiert. Dafür haben wir wiederum eine interne Abteilung aus Grafikern und Kommunikationsdesignern. Zudem haben wir etwa vor einem Jahr den Unternehmensbereich Digital Business aufgebaut. Damit verfolgen wir zwei Ziele. Besonders im Verwaltungsbereich sehen wir den hohen Bedarf, Inhalte und Themen transparent und anschaulich zu gestalten und der Bevölkerung zu vermitteln. Es geht also nicht nur um die Unternehmenspräsentation nach außen, sondern auch um die interne Wissensvermittlung zwischen den Mitarbeitern. Die rasante Entwicklung digitaler Technologien bildet einen großen Mehrwert in der Darstellungsbreite und -tiefe dieser Informationen. Neben dem reinen Architekurkonzept bilden wir mittlerweile auch die strategische Konzeptionierung intern ab. Bei Bedarf holen wir uns dann Unterstützung bei externen Programmierern, die uns das in ein Tool übersetzen.


IF: Allein vom planerischen Umfang wäre das auch kaum leistbar, oder?
Dittel: Genau – und es ist auch bei den meisten Büros üblich, bei speziellen Themen mit externen Spezialisten zusammenzuarbeiten. Allgemein gesagt muss man sich bei öffentlichen Bauten den Inhalten ganz anders annehmen als bei privaten oder gewerblichen Bauten. Um die speziellen Anforderungen und die Inhalte zu transportieren, muss die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Themenfeld im Vorfeld erfolgen. Wenn dieser erste Schritt vollzogen ist, unterscheidet sich die Herangehensweise bzw. der Aufwand bei der Planung von öffentlichen Bauten nicht mehr großartig von einem Projekt im privaten oder gewerblichen Bereich. Die Abläufe sind die gleichen und die Komplexität in Bezug auf die Abstimmung mit den verschiedenen Fachplanern bleibt ebenfalls bestehen. Das einzige, das uns auffällt, ist, dass die internen Freigabestrukturen bei öffentlichen Bauträgern aufwändiger und langwieriger sind. Dazu kommt, dass die Beteiligten oftmals verschiedene "Sprachen" sprechen und es dadurch zu weiteren Verzögerungen kommen kann. Z. B. mussten die Entwürfe für das Rathaus Mannheim mit allen Parteien, die in diesem Rathaus mit ihren Fraktionen vertreten sind, diskutiert werden. Da kann man sich in etwa vorstellen, wie viele unterschiedliche Meinungen zusammenkommen. Diese Auseinandersetzung und Entscheidungsfindung ist wichtig und selbstverständlich aufwändiger als mit einem privaten Bauherrn.

"Wertigkeit, Transparenz, Bürgernähe" – aus diesen Begriffen leitete DIA – Dittel Architekten den architektonischen und gestalterischen Leitfaden für die Sanierung des denkmalgeschützten Rathauses in Mannheim ab. Der Eingangsbereich bildet den ersten fertiggestellten Bauabschnitt des 15.000 m² umfassenden Gebäudes. Massives Eichenholz und hochwertiger Mineralschichtstoff bestimmen das Materialkonzept während Textilien und Türrahmungen im charakteristischen Rot-Ton des Corporate Designs der Stadt Mannheim Farbakzente setzen. Ein detailliertes Leitsystem und Wissenswertes zur Stadt Mannheim finden die Besucher auf den interaktiven Touch-Panels im Informations- und Wartebereich. Der stufenlose Eingang und unterfahrbare Möbel stehen beispielhaft für das durchgängig barrierefreie Konzept. Fotos Foyer: Daniel Vieser . Architekturfotografie, Karlsruhe, Fotos Außenansicht: Martin Baitinger

IF: Wie lassen sich diese vielen Vorgaben mit der eigenen Kreativität, bzw. dem kreativen Entwurf vereinen?
Dittel: Natürlich ist es schön, wenn man sehr freigeistig an ein Projekt herangehen kann. Auf der anderen Seite sind ein paar "Bandagen", also Einschränkungen, auch hilfreich. Wir können uns an diesen orientieren und haben gewisse Fixpunkte. Das beschleunigt auch den internen Prozess, weil wir nicht so kontrovers diskutieren können wie bei manch anderen Projekten.


IF: Passiert es denn auch, dass gerade bei Bauten wie Rathäusern der größte Wert auf eine repräsentative Außenwirkung gelegt wird? Also auf die Architektur und evtl. noch Besucherzonen, aber weniger auf die Bereiche für Mitarbeiter?
Dittel: Das ist ein schwieriges Thema. Denn der öffentliche Auftraggeber ist ja gesetzlich angehalten, mit finanziellen Mitteln sorgsam umzugehen. Das Wort repräsentativ impliziert theoretisch schon, dass höhere monetäre Aufwendungen notwendig sind, um aus dem Standard herauszukommen. Und gerade bei Rathäusern, Bürgerzentren etc. ist es im Bereich der Büros wie gesagt oft so, dass über die fixen Regularien schon sehr viel vordefiniert ist, wie z. B.: "pro Büro ein Schreibtisch mit 140 cm Länge, ein Schreibtischstuhl, ein Computer, ein Bildschirm, als Bodenbelag kein Teppich, keine Fliesen sondern vorzugsweise Linoleum, usw.". Natürlich hat der Besucherbereich für die öffentlichen Gebäude einen sehr hohen Stellenwert, er ist schließlich das Aushängeschild. Wir versuchen bei unseren Projekten aber immer einen Weg zu finden, sowohl für Mitarbeiter als auch für Besucher Bereiche mit einer hohen Aufenthaltsqualität zu schaffen.

IF: Repräsentativ müssen ja auch die deutschen Auslandsvertretungen sein, die Sie nun mit ihrem Büro umsetzen dürfen. Wie transportieren Sie die „Marke" Deutschland in der Architektur und Innenarchitektur?
Dittel: Bei der Konzeptfindung zu dem ausgeschriebenen Wettbewerb haben wir uns zunächst die Fragen gestellt: "Was definiert eigentlich Deutschland?" und "Wie können wir diese Eigenschaften in die Gestaltung übersetzen?". In einem Brainstorming diskutierten wir dann die politischen Leitvisionen und manifestierten Deutschland unter anderem als verlässlichen Partner. Im Bereich Wirtschaft konnten wir Schlagworte wie Qualität, Technologisierung, aber auch hochwertige Materialität und technischen Anspruch definieren. Wir fragten uns aber auch, wie unsere Gesellschaft tickt – sind wir eher offen oder verschlossen und ähnliches. Über diese Annäherung an die "Marke" Deutschland entwickelten wir Leitbilder und übersetzten diese dann in den Raum. Z. B. über Transparenz oder über den Gegensatz "Dichte / Weite". Letzterer beinhaltet sowohl Zonen, die der Funktion untergeordnet sind, als auch großzügige Aufenthaltsbereiche. Wir wollten einen "demokratisierten Grundriss" haben, das heißt, nicht nur ein großes Büro mit Ausblick für den Botschafter, sondern auch Rückzugsorte für die Mitarbeiter – auch sie sollen den „Ausblick" genießen können. Und über diese Themen näherten wir uns dann der architektonischen Ausformulierung und überzeugten damit die Verantwortlichen.

In einem interdisziplinären Wettbewerb setzte sich DIA – Dittel Architekten mit seinem Konzept für die Gestaltung der deutschen Auslandsvertretungen durch. Die inneren Werte der Bundesrepublik wurden dabei auf die Innenraumgestaltung, Materialauswahl und die Ausstattung der Räume übertragen. Die gesicherten Bereiche für Kanzleimitarbeiter wechseln bei der Anordnung im Grundriss mit öffentlich zugänglichen Kundenbereichen. Diese Neuinterpretation sorgt zum einen für Transparenzen im Raum und zum anderen für die Auflösung des sogenannten Behördenflurs. Gleichermaßen transportieren die offenen Raumstrukturen den außenpolitischen Leitfaden Deutschlands: "Gemeinschaft". Renderings: Dittel Architekten GmbH

IF: Entwickeln Sie auch selbst Möbel?
Dittel: Sehr oft sogar, besonders Informationstheken und Sitzmöbel für Empfangsbereiche. Denn oftmals definieren genau diese Elemente die Charakteristik eines Raumes. Im Rathaus Mannheim haben wir z. B. im Fensterbereich Bankettsitze installiert, auf denen sich die Besucher niederlassen können. Wir entwerfen die Möbel selbst und lassen es dann individuell anfertigen. Bei Büromöbeln greifen wir gerne auf die Expertise der Möbeldesigner zurück – diese Produkte laufen ja durch sämtliche Zertifizierungen.


IF: Gibt es besondere Materialien, mit denen Sie im öffentlichen Bereich bevorzugt arbeiten?
Dittel: Wichtig sind vor allem Langlebigkeit und Robustheit. Durch die Frequenz der Benutzung und der Achtlosigkeit mancher Besucher sollten in diesen Bereichen nicht unbedingt besonders feine, zerbrechliche Materialien eingesetzt werden. Beim Möbelbau verwenden wir häufig Corian anstelle von lackierten Oberflächen, die abplatzen können. Aber explizit Materialien aufzulisten ist schwer, da jedes Projekt eine individuelle Materialwahl verlangt.

Die Identität der Stadt in den Raum übertragen – dieses Ziel verfolgte DIA – Dittel Architekten bei der Neukonzeption der Touristinformation Schwäbisch Hall. Die 300 m² große, unter Denkmalschutz stehende Fläche wurde komplett saniert und in die Funktionsbereiche Empfang, Beratung, Verkauf und Information gegliedert. Eigens entworfene Einbauten verbinden Produktauslagen mit Sitzlandschaften während eine "Corporate Wall" in anthrazit als identitätsstiftende gestalterische Spange dient. Das Farb- und Materialkonzept besticht durch einen Hell-Dunkel-Kontrast und der Kombination mit natürlichen Farben. Ein Highlight bildet eine hinterleuchtete Grafik, die Motive der Stadt Schwäbisch Hall abbildet. Fotos: Daniel Vieser . Architekturfotografie, Karlsruhe

IF: Die individuelle Planung ist also auch im öffentlichen Bereich das A und O – ein Schema F gibt es nicht ...?
Dittel: Nein, sicherlich nicht. Es gibt grundsätzlich im Planungsprozess Schemata, die man verfolgen kann, aber Individualität und somit die individuelle Planung eines jeden Projektes ist unumgänglich. Und das ist ja auch das Spannende an unserem Beruf.


IF: Herr Dittel, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!


https://di-a.de


Das Interview ist in InteriorFashion 2|2018 erschienen.

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