04.06.2025
Arper und die Zukunft der Zirkularität: Beim italienischen Möbelhersteller gilt Nachhaltigkeit als Gestaltungsprinzip. Andrea Mulloni, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit bei Arper, gibt Antworten auf Fragen zu Herausforderungen und Chancen nachhaltigen Designs.
Leben ist Bewegung – wir arbeiten, reisen, entspannen und interagieren in fließenden, vernetzten Strukturen. Räume sollten uns dabei unaufdringlich begleiten, unterstützen und sich unserem Tempo anpassen. Der italienische Möbelhersteller Arper gestaltet Möbel, die flexibel auf Bedürfnisse reagieren, Wohlbefinden fördern und einen harmonischen Übergang zwischen Lebens- und Arbeitswelten ermöglichen.
Nachhaltigkeit steht dabei im Mittelpunkt aller Entscheidungen: Arper erforscht neue Materialien, hinterfragt die Verwendung traditioneller Ressourcen und entwickelt innovative Lösungen, die Ästhetik und Verantwortung vereinen.
Die folgenden zehn Fragen und Antworten widmen sich den Herausforderungen und Chancen nachhaltigen Designs: Welche Rolle spielt Zirkularität in der Produktion? Wie lassen sich nachhaltige Prinzipien in Designprozesse integrieren? Und welche Innovationen zeigen, dass Umweltbewusstsein und gestalterische Exzellenz Hand in Hand gehen? Mit einem ganzheitlichen Verständnis von Nachhaltigkeit setzt Arper neue Maßstäbe in der Möbelbranche – mit einer Designphilosophie, die Natürlichkeit vor Perfektion, Sorgfalt vor Exzess und Weiterentwicklung vor reine Produktinnovation stellt. Eine Designphilosophie, die nicht nur sichtbar, sondern spürbar ist – in Räumen, die unser Leben bereichern.
"Nachhaltigkeit ist oft ein abstrakter Begriff – selbst für uns bei Arper. Deshalb sprechen wir lieber von Verantwortung. Verantwortung bedeutet, mit den vorhandenen Mitteln das Bestmögliche zu erreichen. In Bezug auf Arper bedeutet das konkret: neue Wege zu finden, um mit weniger Ressourcen dasselbe zu leisten (emissionsarme Produkte), auf neue Rohstoffe zu verzichten, wenn es Alternativen gibt (zirkuläre Produkte) und nur dann zu produzieren, wenn es wirklich notwendig ist (neue Geschäftsmodelle wie Wiederaufbereitung und Vermietung anbieten)."
"Die Entwicklung neuer technischer Lösungen ist immer – fast per Definition – ein handwerklicher Prozess. Am Anfang eines Entwurfs steht die Funktion: Was soll das Objekt leisten? Oft entstehen dabei Lösungen, die zwar technisch funktionieren, aber weder Umweltaspekte noch Ästhetik berücksichtigen. Das ist zu diesem Zeitpunkt auch nicht das Ziel. Genau hier setzt Handwerkskunst an: Erst wenn es gelingt, Funktion, Gestaltung und minimale Umweltbelastung in Einklang zu bringen, entsteht ein herausragendes Design. Bei Arper nennen wir das Handwerkskunst."
"Architektinnen und Architekten und Designerinnnen und Designer sind entscheidende Vermittler zwischen Hersteller und Endnutzerinnen und -nutzern – sie sorgen dafür, dass Produkte nicht nur ausgewählt, sondern auch bewusst verstanden werden. Verantwortungsbewusste Produktion ist ein komplexes Thema, das von der Lieferkette bis zu den ökologischen Eigenschaften eines Produkts reicht. Deshalb ist es wichtig, Wissen weiterzugeben und zu differenzieren: Welche Produktionsweisen sind verantwortungsbewusst? Welche nicht? Wer diese Zusammenhänge versteht, kann fundierte, nachhaltige Entscheidungen treffen."
"Wir haben eine neue Herangehensweise an die Produktentwicklung entwickelt, die auf der 'Theory of Change' basiert. Das bedeutet: Zunächst definieren wir, welche Auswirkungen ein Produkt haben soll, und arbeiten dann rückwärts, um das Design zu bestimmen, das genau diesen Effekt erzielt. Erst wenn dieser Rahmen klar ist, wählen wir geeignete Materialien aus. Dies war bei 'Catifa Carta' und 'Papershell' der Fall – aber die Wahl der Materialien hängt immer vom jeweiligen Ziel ab."
"Teilweise habe ich das bereits angesprochen: 'Catifa Carta' ist ein 'grüner Schwan' – eine Innovation mit großem Potenzial. Solange dieser Ansatz zu guten Ergebnissen führt, werden wir ihn weiter verfolgen."
"Das ist eine tägliche Herausforderung. Als unabhängiges Unternehmen verfügt Arper über begrenzte Mittel, kann dafür aber flexibel und effizient agieren. In den letzten 20 Jahren haben wir eine solide Expertise in nachhaltiger Produktion aufgebaut – zunächst durch regulatorische Standards, später mit einer proaktiven, zukunftsgerichteten Haltung. Rückblickend war dieser Weg nicht immer einfach, es gab Erfolge, aber auch Rückschläge. Doch eines ist sicher: Jede Investition in verantwortungsbewusste Forschung und Entwicklung ist essenziell für eine nachhaltige Zukunft."
"Indem man Umweltauswirkungen analysiert, bevor man sich mit der Ästhetik befasst. Einige zentrale Fragen, die sich sowohl Auftraggeberinnen und Auftraggeber als auch Designerinnen und Designer stellen sollten, sind: Brauchen wir dieses Produkt wirklich? Und falls ja: Wie können wir es so gestalten, dass es minimale ökologische Auswirkungen hat? Projekte wie 'Catifa Carta', die nahezu klimaneutral sind, können diese Entscheidung erheblich erleichtern."
"Radikale Transparenz. Es reicht nicht mehr aus, sich hinter vagen Versprechen zu verstecken. Entweder man handelt – oder man tut es nicht. Wer nachhaltige Maßnahmen ergreift, sollte sie offenlegen. Wer es nicht tut, muss sich für die Konsequenzen verantworten."
"Nachhaltigkeit wird oft mit Corporate Social Responsibility (CSR) gleichgesetzt – dabei ist CSR nur die Spitze des Eisbergs. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, von CSR zu Corporate Shared Value (CSV) überzugehen: Das bedeutet, nachhaltige Maßnahmen nicht nur als Kompensation für Umweltbelastungen zu verstehen, sondern als Chance, langfristigen Wert für Unternehmen und Gesellschaft zu schaffen. Ein konsequent umgesetztes Eco-Design erreicht genau das."
"In den letzten drei Jahren haben wir drei zentrale Kennzahlen verfolgt, die sich alle auf die Reduzierung unserer Umweltbelastung beziehen. Jedes dieser Ziele hat eine klare Frist bis 2027 bzw. 2030: CO₂-Fußabdruck, Energieverbrauch und Wasserverbrauch. Ausführliche Informationen können unserem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht entnommen werden."
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