01.03.2021

"Modulares Design ist wie ein Alphabet"

Fotos: Magis

"Costume" ist das erste gemeinsame Projekt der italienischen Möbelmarke Magis und Stefan Diez. Gemeinsam haben die beiden Teams eine völlig neue Konstruktionsmethode entwickelt: Vier Elemente, mehr braucht es nicht, um das Sofasystem aus recyceltem Polyethylen zusammenzusetzen. Passend zum heutigen Lifestyle passt sich das Sofasystem in wenigen Griffen jeder neuen Wohnsituation an.

Der Korpus besteht aus recyceltem und recycelbarem Polyethylen aus Rückständen der Möbel- und Autoindustrie. Sitz- und Rückenfläche sind mit einem Taschenfederkern und einer dünnen Schicht Polyurethanschaum gepolstert. Zusammengehalten wird die Konstruktion durch den Bezug, der wiederum mit Spannungsgurten festgezogen wird. Das Modell kommt mit gerade einmal vier Elementen aus: dem Sitzmodul, einer Armstütze, die sowohl rechts als auch links angebracht werden kann, einer Ottomane und dem Kunststoffkonnektor, der als sichtbares Element Ton in Ton oder in einer Kontrastfarbe auch einen ästhetischen Akzent setzt. Als Bezugsstoff stehen drei Qualitäten zur Auswahl: "Fidivi One" aus recyceltem Polyester ist objekttauglich, das Baumwollgemisch "Torri Lana Dato" bietet sich fürs private Wohnen an und "Kvadrat Uniform Melange", ein Kammgarn aus Baumwolle, Nylon und Polyester lässt sich sowohl im Objekt als auch privat einsetzen.

Im Interview gibt Stefan Diez Einblick in den Designprozess und die Zusammenarbeit mit der italienischen Möbelmarke.

Worin bestand die Anfangsidee für die Entwicklung für "Costume"?

Stefan Diez: Magis wandte sich an mich mit der Frage: "Was wäre, wenn wir den Begriff des Sofas einfach mal komplett neu denken würden?"

Und was haben Sie darauf geantwortet?

Stefan Diez: Wir kamen schnell darin überein, ein Sofasystem zu entwickeln, das sich jederzeit vollständig in seine Einzelteile zerlegen lässt. Mit so wenig Polyurethanschaum wie möglich und einem Textilbezug, der abgezogen, gewechselt und gewaschen werden kann. Das System sollte aus nur wenigen Einzelteilen bestehen. Zunächst wirkte das alles ziemlich kompliziert, nahezu unmöglich. Insgesamt haben wir vier Jahre daran gearbeitet und sehr viel Zeit in Produkt- und Materialstudien gesteckt.


Mein Mitarbeiter Dominik Hammer, investierte viel Energie in das Projekt, genauso wie das Team um Enrico Perin von Magis. "Costume" wurde so zu einem typischen "Magis-Projekt". Es steht deutlich in der Tradition der norditalienischen Manufakturen. In der Anfangs- und Entwicklungsphase mussten alle Beteiligten sehr viel Vorstellungsvermögen und Zuversicht unter Beweis stellen. Später kam dann das Risiko zu scheitern dazu.

Welche Bedeutung hat der systemische Ansatz für Sie?

Stefan Diez: Systeme sind so etwas wie ein Alphabet. Mir persönlich geht es weniger darum, vorgefertigte Lösungen zu liefern, sondern darum, Bausteine zu entwickeln, mit denen man Worte, Sätze und Geschichte formulieren kann. Systeme sind nie statisch, sondern können immer wieder neu interpretiert werden. Die einzelnen Bestandteile können weiterentwickelt werden und einzeln verbessert werden. Das macht die Logik dahinter so spannend: Denn sie schöpft das Potenzial der industriellen Produktion und des industriellen Designs umfassend aus.

Und was bedeutet das konkret für "Costume"?

Stefan Diez: Dank des modularen Ansatzes kann jedes Element unkompliziert ersetzt werden, zum Beispiel, wenn es schmutzig oder abgetragen ist. Sogar der dünne Polyurethanschaumeinsatz kann gereinigt werden. Auch der Bezug, natürlich. Ein Sofa muss vieles aushalten können. Dass sich der Bezug leicht vom Korpus lösen lässt, ist übrigens nicht nur für den Nutzer von Vorteil. Denn auch recyceln lässt sich ein Sofa nur, wenn es modular konstruiert ist.

Was ist Ihnen bei diesem Projekt sonst noch wichtig?

Stefan Diez: Der Korpus besteht aus recyceltem Kunststoff und entspricht damit der Idee der Kreislaufwirtschaf. Im Moment fertigen wir den Korpus aus aufbereiteten Industrieabfällen. In naher Zukunft will Magis aber auch auf Verpackungsmaterial zurückgreifen.

Inwiefern haben Sie als Designer von Magis profitiert?

Stefan Diez: Magis zählt zu den wenigen Unternehmen, denen echte Innovation wichtiger ist als Marketing. Eugenio Perazza und sein Team sind neugierig und stets auf der Suche nach Neuem. Gemeinsam mit Enrico Perin gelingt es ihnen, immer wieder neue Perspektiven zu eröffnen, nicht zuletzt dank all der zufälligen Entdeckungen entlang des Designprozesses. Begeisterung und Leidenschaft, das sind die beiden Treiber bei Magis.

Und wie würden Sie die Arbeit Ihres eigenen Büros beschreiben?

Stefan Diez: Wir bevorzugen Projekte, bei dem das Ergebnis zu Beginn noch nicht absehbar ist. Wir wollen uns von unserer Arbeit überraschen lassen und Neues kennenlernen. Für uns liegt der Weg zu innovativen Lösungen im technischen Know-how, eine guten Intuition und sehr viel Experimentieren. Das Ergebnis darf gerne komplex sein, aber nie kompliziert.

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