02.09.2020

Akutlinik Schloss Gracht

 

Aus Respekt vor der Vergangenheit

Sylvia Leydecker setzt mit ihrem Konzept für Schloss Gracht auf gefühlsorientiertes Erleben und unterstützt damit das medinzinisch hochwertige Angebot.


Seit September 2019 ist die private Akutklinik für psychodynamische Psychiatrie und Psychosomatik von Dr. Karsten Wolf in Schloss Gracht zuhause. Das 500 Jahre alte Wasserschloss in Erftstadt/Liblar wurde aufwendig saniert und modernisiert. Dabei waren innerhalb der Stationen, in denen rund 80 Patienten in hellen 1-Bett- bzw. 2-Bett-Zimmern untergebracht sind, einige Anpassungen an Brandschutz und Statik nötig, die anderen Räume wurden modernisiert und renoviert. Die alten Strukturen erforderten aber auch Kompromisse, z. B. an die Barrierefreiheit.

Das Interior-Design-Konzept stammt von 100% interior Sylvia Leydecker. Die erfahrene Innenarchitektin setzt auf gefühlsorientiertes Erleben, die multisensuelle Wahrnehmung durch Sehen, Hören und Fühlen. Mit einem abgestimmten und fein differenzierten Material- und Farbkonzept, dem Umgang mit dem historischen Denkmal, dem Respekt vor seiner Vergangenheit und der Integration moderner, zeitgemäßer Komponenten ist es gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Patienten hilft, ein wichtiges Körpergefühl und emotionales Erleben im Moment zu erhalten. Das medizinisch hochwertige Angebot hat den therapeutisch wirksamen, passenden Rahmen erhalten und unterstützt damit die Psychotherapie.

Präsenztherapie beginnt am Empfang

Die auf Schloss Gracht praktizierte Präsenztherapie beginnt bereits am Empfang. Statt eines Tresens mit emotionalem Barrierecharakter ist der kleine überschaubare Raum von Offenheit geprägt, der gleichzeitig Geborgenheit ausstrahlt. Ausgestattet mit lockeren Steh- und Sitzgelegenheiten, runden Samtpoufs und bequemen Ohrensesseln werden in ungezwungener Atmosphäre die ersten Formalitäten erledigt.

Die Übergabe der Zimmerschlüssel folgt einem besonderes Ritual. Die Schlüssel mit ihren goldenen Quasten sind hinter einer Messingwand auf grünem Samt gebettet, was für Diskretion hinsichtlich belegter Zimmer und ihrer Patienten sorgt. Beim Ankommen gleiten die Schranktüren leise zur Seite und geben den Blick auf den grünen Samt frei. Dies schafft Präsenz von Beginn an.

Der Kubus aus satt dunkelgrünem, fein geädertem Marmor "Verde Antico" korrespondiert mit dem bereits vorhandenem Marmor im Schloss, wie dem der Wand im Rittersaal oder dem Boden der Orangerie. Das Halbrund der gezielt darüber positionierten Deckenleuchte passt sich formal perfekt an die Gewölbedecke an und schafft mit ihrer reflektierenden Blattgold-Innenseite einerseits Wärme und andererseits subtil herrschaftliche Aura – passend zum Schloss.

Patientenzimmer

Die Atmosphäre in den komfortablen Patientenzimmern ist von angenehmer Unaufgeregtheit. Die Zimmer strahlen Ruhe aus, wirken entspannend und beruhigend auf die Psyche der Patienten. Die Gestaltung fügt sich in das gesamte Erscheinungsbild des Schlosses ein und bewahrt seinen Charme. Bei den Materialien hat sich Sylvia Leydecker für Oberflächen mit sanfter Helligkeit entschieden.


Sandfarbene Teppichböden, die unempfindlich in ihrer Struktur und Musterung sind, unterstreichen die wohnliche Atmosphäre – als Teppichfliesen berücksichtigen sie zudem auch den wirtschaftlichen Aspekt, denn im Falle einer Verschmutzung lässt sich schnell und kostengünstig die ein oder andere Fliese austauschen.

In Kombination mit der hellen Holzoptik des Mobiliars bieten Regale reichlich Stauraum für Persönliches, ein Schreibtisch den nötigen Platz für "Schreibkram". Da die Grundrisse der Zimmer nicht identisch sind, verfügen einige über einen geräumigen Kleiderschrank, der zudem einen persönlichen Kühlschrank und einen Safe beinhaltet, und andere über ein Ankleidezimmer. Hingucker ist ein Inlay aus Messing, das eine integrierte beleuchtete Nische im Schrank auskleidet. Dort befinden sich Annehmlichkeiten wie eine Wasserkaraffe oder Blumendekoration.


Den einzigen farbigen Akzent in den Patientenzimmern setzen bequeme Loungesessel. Vorsichtig dosierte schwarze Akzente finden sich als Muschelgriffe, Tisch- und Sesselbeine oder Leuchtendetails und korrespondieren mit historischem Schmiedeeisen. Wertige, dezent texturierte, wohnlich wirkende Wandbeläge, akzentuieren im Patientenzimmer einzelne Wandscheiben, während taupefarbene Nischen mit ebenfalls subtiler Struktur, das Bett seitlich umfassen. Verdunkelungsvorhänge mit Leinenstruktur lassen es zu, den Raum komplett zu verdunkeln und damit ungestörten Schlaf zu unterstützen.

Bei den Bädern hat die Innenarchitektin mit großformatigen Fliesen in einem Sandton gearbeitet. Grundsätzlich wurde Wert auf eine hochwertige Ausstattung gelegt. Dunkle Armaturen und eine ornamentale Duschfläche, die aus konstruktiven Gründen nicht bodengleich ausgeführt werden konnte, entsprechen dem Charakter des Denkmals. Weiteren Komfort bietet eine Echtglas-Duschabtrennung, ein wertiger Hocker, beleuchtete Kosmetikspiegel, ein Fön, Kosmetik, Ablagen und eine Handtuchheizung.

Lounges

Der imposante Rittersaal sucht in seiner Funktion als Tageslounge für die Patienten in seiner Ausgestaltung seinesgleichen. Voluminöse Kristalllüster hängen unter der kassettierten Decke. Vorhandene Marmormalerei und schwere voluminöse Samtvorhänge wurden belassen und in das Konzept integriert. Sie rahmen nun die hohen Fenster mit Blick in den Schlosspark ein.
Das massive Eicheparkett wurde in Absprache mit der Denkmalpflege erhalten und sorgfältig aufgearbeitet. Abgepasste, locker verlegte Teppiche definieren die Räume. Auf der großen Fläche finden sich Teppiche in historischer Medaillonform, die unterschiedliche Sitzbereiche im Raum schaffen, ohne dabei dominant zu wirken.


Die Präsenztherapie wird auch durch die Anordnung der Möblierung unterstützt. Zum einen bleibt durch den Verzicht auf strukturierende Möbel wie Sideboards oder Regale die Großzügigkeit des Raumes erhalten und zum anderen schaffen die Sitzinseln Nahbarkeit. Dabei bleibt man doch flexibel: Die Patienten können alleine im einladenden Schaukelstuhl die Seele baumeln lassen, gemeinsam auf einem der großzügigen Sofas oder in den bequemen Fauteuils Platz nehmen oder in einer geselligen Runde am rustikalen Spieletisch Karten spielen.

Die subtil differenzierten und harmonischen Materialien lassen den Patienten den Moment der Verbundenheit erleben und lenken die unmittelbare Aufmerksamkeit auf die Haptik von Samt, Leder und Webstrukturen. Die hier verwendeten Farben orientieren sich an der Natur in ihren unterschiedlichsten Nuancen. Sie reichen von Sand über aristokratisch dunkles Grün, softes Wasserliliengrün bis hin zu sattem Maronenbraun. Dabei gehen sie einher mit den verwendeten Materialien wie gewebte Stoffe, echtes Holz und Leder.

Dem Rittersaal setzt Sylivia Leydecker in der angrenzenden Tageslounge – auch Suhsi-Zimmer genannt – einen gestalterischen Kontrapunkt entgegen. Sie überrascht durch eine frohe Farbigkeit, grafische Muster und Rundungen, die dennoch das historische Umfeld perfekt ergänzen und zeitgemäß kontrastieren.


Natürliche Formensprache und moderne Lasertechnik geben den lässig platzierten niedrigen Tischen ihr Gesicht. Die Wolkenstruktur des Himmels korrespondiert nicht nur mit dem sanftem Blau der Wandflächen, sondern auch mit dem Wasser im Schlossgraben und last but not least mit der Weite des Himmels. Die runden Formen der kompakten Sessel lassen variable Flexibilität zu. Sie könnne immer wieder den Bedürfnissen entsprechend neu formiert werden.


Die japanisch inspirierten Muster und Sushi spielen mit dem Ansatz asieninspirierter Zimmer, die sich in historischen Schlössern finden. Die softe Farbigkeit der Wände, historische Ölbilder in barocken Rahmen, der flankierende Kamin und der Blick hinaus auf den Wassergraben und den angrenzenden Schlosspark machen aus dem Durchgangszimmer einen charaktervollen Lieblingsplatz der tagsüber sehr gerne aufgesucht wird.

Lichtkonzept

Das therapeutisch wirksame Lichtkonzept fördert die Therapie, indem es den Patienten in der Struktur ihres Tagesablaufs hilft. Circadianes Licht, das mit Hilfe großformatiger Leuchten von Osram, den Tageslichtverlauf künstlich abbildet, findet sich in jedem einzelnen Patientenzimmer und im Restaurant. Es schafft, selbst in den unter dem Dach angesiedelten Zimmern mit entsprechend kleinen Fensterflächen, taghelles Licht. Stehleuchten in den Patientenzimmern sorgen für wohnlichen Charakter, Schreibtischleuchten und Leseleuchten am Bett für punktuelles Licht.

In den Tageslounges schafft einfallendes Tageslicht Wohlbefinden. Kristalllüster reflektieren es lebendig. Diese prägen nicht nur den Rittersaal, sondern auch die weiteren Lounges. Die klare und schlichte Formsprache der Leseleuchten konkurriert nicht mit den Lüstern, sondern bildet einen Kontrast, der klar das Hier und Jetzt zum Ausdruck bringt. Dabei reflektieren sie mit ihrem Material, dem goldenen gebürsteten Messing, dennoch die Historie. Stehleuchten, mit der rauen Materialität ihrer Rostoberflächen, korrespondieren in den für den Abend vorgesehenen Lounges mit der Vergangenheit der Pferdeställe, bringen Patina und Low-Tech in das abendliche Ambiente.

Ausgefallener Wandbelag

Besonders zu erwähnen ist der Wandbelag am Eingang zur Diagnostik. Hier wurden historische Rechnungen alter Buchhaltungskladden flächig auf die Wand aufgebracht. Elegant geschwungene Handschriften in schwarzer Tinte, roter Siegellack und aussagefähige Inhalte sind es wert, mehr als nur einen ersten Blick zu riskieren. Hier offenbart sich das frühere Leben auf Schloss Gracht, als hier noch bekannte Persönlichkeiten wie die Metternichs und Carl Schurz weilten. Sie erinnern im digitalen Zeitalter unaufdringlich an frühere Zeiten aus der Vergangenheit des Schlosses, als handschriftliche Qualitäten, Ruhe und Sorgfalt mit Sinn für Schönheit noch die Buchhaltung abseits aller Excellisten prägten. Nachhaltigkeit at its best.


 


Alle Fotos: 100% interior Sylvia Leydecker/Karin Hessmann

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