09.05.2022

Mut zur Farbe

Fotos: Asp Architekten

Umfassende Sanierung des Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart – hochkomplexe Aufgabe in einem architekturhistorisch-sensiblen Umfeld.

Die Liederhalle gilt nicht nur als eine der ältesten Kulturinstitutionen Stuttgarts. Durch ihren Wiederaufbau nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zählt sie auch zu den wichtigsten deutschen Kulturbauten der Nachkriegszeit. Der denkmalgeschützte, ikonisch-expressive Bau, der lange vornehmlich als Konzerthaus diente, wurde in den 90er-Jahren erweitert und entwickelte sich dadurch zu einem international anerkannten Kongresszentrum. Technische und funktionale Mängel sowie eine Nutzungs- und Kapazitätserweiterung machten nun eine umfangreiche Sanierung des Erweiterungsbaus notwendig, mit der die Architekten von Asp beauftragt wurden. Durch die anspruchsvolle wie behutsame Revitalisierung erscheint die Liederhalle nun in neuem Glanz und edler Atmosphäre.

Gestartet sind die Stuttgarter Planer mit einer Analyse der (Infra-)Strukturen, der räumlichen Situation und technischen Ausstattung. Schnell war klar, dass nicht nur beim Brandschutz eine komplette Nachbesserung notwendig war. Auch sollte die veraltete Bühnen- und Veranstaltungstechnik erneuert werden, bei der die Gebäudeleittechnik nachgebessert, sowie vorhandene Gebrauchsspuren beseitigt wurden. Für die gebäudetechnische Ertüchtigung mussten sämtliche abgehängten Decken entfernt werden. Dabei stießen die Planer stellenweise auf gesundheitsschädliche Dämmstoffauflagen, die unter Einhaltung aufwändiger Schutzmaßnahmen entfernt und entsorgt wurden. Aber nicht nur im Deckenbereich fanden sich "Überraschungen".

Im weiteren Sanierungsverlauf tauchten falsch gebaute Brandabschnittstrennungen, undichte Heizsysteme und Hofabläufe und sogar ein unerkannter Wasserschaden im Hegel-Foyer auf. Nicht unbedingt ungewöhnlich bei der Sanierung eines Gebäudes. Für das Einhalten von Zeit- und Kostenplänen jedoch unerfreulich.

 


Der Innenraum weist durch die verschiedenen Ebenen, Lufträume, Säulen und Treppen eine gewisse Komplexität und Vielschichtigkeit auf, die bislang allerdings kaum wahrgenommen wurde. Der besonderen Raumstruktur Ausdruck und Bedeutung zu verleihen, war daher ein zentraler Aspekt des Gestaltungskonzepts. Insbesondere in der Überarbeitung der Deckenbereiche, die bislang weiß gehalten waren, sahen die Planer großes Potenzial für ein neues Raumgefühl und -erlebnis. Die Lichtplaner von Pfarré Lighting Design entwickelten ein ausgefeiltes Lichtkonzept, das, ohne an den Decken wahrgenommen zu werden, die Räume ganz subtil ausleuchtet. In enger Abstimmung mit ihnen entstand auch die Idee, die Decke in ein kräftiges Blau zu tauchen. Das verleiht dem Raum nicht nur eine beruhigende Anmutung, sondern suggeriert auch eine gewisse Wertigkeit, die zur kulturellen Nutzung des Gebäudes passt. Während die Raumkanten mit Lichtlinien betont werden, nimmt sich die Decke durch den warmen, tiefblauen Farbton zurück, wirkt angenehm ruhig und elegant. Punktuell wurden Installationselemente eingesetzt und strahlenförmig auf den Hegel-Saal ausgerichtet. So wird die besondere Geometrie des Gebäudes betont. Unterstützt wird das völlig neue Raumerlebnis durch ein Orientierungssystem von Studio Tillack Knöll. Es leitet die Besucher nahezu intuitiv durch das Gebäude und, durch ein modernes, digitales Raumsystem, zu den einzelnen Räumen. Ebenfalls in Blau und Kupfer gehalten, nimmt es die Farben seiner Umgebung auf und rundet das Gestaltungskonzept ab.

Trotz der vielen unvorhergesehenen Erschwernisse haben die Asp Architekten zusammen mit dem Planerteam und den ausführenden Firmen das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle in nur 15 Monaten auf den neusten Stand der Technik gebracht sowie räumlich und gestalterisch aufgefrischt. Abgeschlossen wurden die Maßnahmen zwar schon im Oktober 2020, doch eine feierliche Wiedereröffnung und die Wiederaufnahme des Veranstaltungsprogramms mussten zunächst verschoben werden. Die Landeshauptstadt Stuttgart richtete im Kampf gegen COVID-19 in den großzügigen Räumen vorübergehend ihr zentrales Impfzentrum ein. Nun, vor wenigen Monaten war es soweit und das Programm konnte wieder aufgenommen und das Zentrum seine Tore für Veranstaltungen öffnen.

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