07.05.2021

Nur mit dem Input von Designern

Lichtecht, flammhemmend und outdoortauglich: Der "Benu Talent FR" steht herkömmlichen Textilien in Funktionalität und Ästhetik in nichts nach. Fotos: Christian Fischbacher

Der Schweizer Textilverlag Christian Fischbacher experimentiert seit mehr als zehn Jahren mit Textilien aus rezyklierten PET-Flaschen, Alttextilien, Meeresplastik oder Industrieüberschüssen. Die gelungensten Stoffe sind als Teil der Kollektion "Benu" erhältlich. Art Director Camilla Fischbacher erklärt im Interview mit InteriorFashion, wie man Polyester aus PET dieselbe Haptik wie herkömmlichen Stoffen abgewinnt.

Benannt ist die Kollektion nach dem altägyptischen, mythischen Vogel Benu. Dieser verbrennt im Feuer, um anschließend aus der eigenen Asche neu zu erstehen, ähnlich wie der griechische Phoenix. Auf Englisch wird der Name wie „be new" ausgesprochen. In der Bedeutung des Neumachens steht der Begriff also auch für ein Konzept, nämlich für hochwertiges Upcycling.

InteriorFashion: Frau Fischbacher, vor mehr als zehn Jahren haben Sie in Ihrem Unternehmen die erste Kollektion aus Recyclingpolyester initiiert. Was waren die wichtigsten Meilensteine in der Auseinandersetzung mit dem Material?


Camilla Fischbacher (schmunzelt): Der erste Stoff aus recyceltem Polyester, mit dem wir experimentiert haben, war nicht besonders ansprechend. Er hatte einen schlechten Griff, war brettig und hart. Das war für uns als Designer aber auch eine Bestätigung: Wenn man auf ungewohnten Wegen Stoffe in gewohnter Qualität produzieren will, dann geht das nicht ohne den Input von Designern. Seitdem ist maximale Mitsprache bei der Textilentwicklung mit recycelten Materialien für uns oberstes Prinzip. Textilien einfach einzukaufen, kommt für uns nicht in Frage. Dafür ist die Ästhetik solcher Stoffe einfach zu unberechenbar.

IF: Wo lagen die besonderen Herausforderungen?


Camilla Fischbacher: Wir wollten in jedem Fall eine weichere Haptik, einen leichten, fließenden Stoff. Für den weicheren Fall haben wir damals das Garn mit einem Nano-Finishing versehen. Mit dem "Benu Flow" kamen wir diesem weichen, leichten Fall, den wir damals vor Augen hatten, schon sehr viel näher, ohne Nano-Finishing. Erreicht haben wir ihn schließlich nach weiteren eineinhalb Jahren Entwicklung mit dem "Benu Pure", den wir in diesem Jahr neu vorstellen. Der "Pure" ist ein angenehm fließender, leicht transparenter Voile, mit dem wir zeigen, dass auch subtile Farbigkeit mit Garnen aus aufbereitetem Kunststoff kein Problem mehr sein muss.


Der Herstellungsprozess solcher Garne an sich ist ja recht simpel: Gebrauchte PET-Flaschen werden gesammelt, gereinigt, gepresst und zu Flocken geschreddert, aus denen Fasern gewonnen werden. Diese werden über Spinndüsen zu Endlosgarn verschiedener Stärken und Glanzgrade verarbeitet. Dieses Endlosgarn ist übrigens um einiges elastischer und damit robuster als Naturgarn. Schwierig ist es, dem Garn die gewünschte Farbigkeit zu geben und dabei sauber in der Farbe zu bleiben. – Sie wissen sicher, dass frühere Versuche mit Recylingpolyester meist einen Stich ins Blaue oder Grüne hatten. Mit unserem „Pure" haben wir nun einen garngefärbten Uni in sechs ganz unterschiedlichen Farbtönen. Besonders stolz bin ich auf unser "Weiß", das fast wie ein Offwhite in Baumwolle wirkt.


Wer es lieber matt mag, nicht zu shiny und seidig, dem empfehle ich unseren "Benu Net" aus der "Benu Sea"-Kollektion aus aufbereitetem Meeresplastik. Die Farbe dieses Materials ist zunächst nicht rein weiß. Es ist uns aber gelungen, den Farbton durch den besonderen Charakter des Garns mit speziellen Bindungstechniken und Farbmelangen wettzumachen

Die
Ganz der Herkunft des wiederverwerteten Meeresplastiks verschrieben, erinnert die extravagante Kettenwirkware an ein engmaschig geknüpftes Fischernetz, für deren Herstellung in früheren Zeiten Gräser, Baumwolle und weitere Naturfasern verwendet wurden.
„Upcycled Marine Plastic“ ist aufbereitetes Meeresplastikabfällen, welche in einem res- sourcenschonenden Prozess zu einem hochwertigen Polyester-Garn verarbeitet werden.

IF: Eine exakte Farbigkeit zu erreichen, soll ja mit Garnen aus aufbereitetem Kunststoff sehr schwierig sein. Den "Benu Talent FR" bieten Sie aber in 30 leuchtenden Farben an. Wie geht das?


Camilla Fischbacher: Die besondere Leuchtkraft und Lebendigkeit erzielen wir durch den feinen Flor. Der "Talent" ist ja kein Flachgewebe, sondern ein Velours, mit verschiedenen Garnen für Schuss, Kette und Fadensystem. Er ist auch nicht garn-, sondern stückgefärbt und wird durch mehrmaliges Bürsten und Wärme "in Form" gebracht. Die besondere Farbtiefe ergibt sich auch daraus, dass sich das Fadensystem in W-Form zwischen zwei Geweben schlingt und noch auf dem Webstuhl von einem scharfen Messer genau in der Mitte aufgeschnitten wird.


Der "Talent" ist mein Liebling, er ist fast schon flauschig und benimmt sich auch in der Haptik wie ein herkömmlicher hochwertiger Velours. Mit dem "Talent" haben wir es auch geschafft, die Stoffe mit Flammschutz auszustatten, außerdem eignen sie sich für die Anwendung im Freien. Seither können wir mit der "Benu"-Kollektion auch im Objektbereich tätig sein.

Die Gleichung recyceltes Material = blasse Farbe gilt für den
Das Trendgewebe entfaltet seine Schönheit sowohl auf Midcentury- und Retromöbeln als auch auf klaren Formen.
Kunststoff ist kein Abfall, sondern eine Rohstoffquelle, ist das Unternehmen Christian Fischbacher überzeugt.
Die Farbpalette reicht von neutralen Naturtönen über leuchtende Outdoor- Farben bis hin zu eleganten klassischen Veloursfarben.

IF: Welche Projekte haben Sie denn schon umgesetzt?


Michael Fischbacher: Die "Benu"-Kollektion ist ja nicht einfach nur eine weitere Textilkollektion, sie steht ja vor allem für ein Konzept, nämlich für den verantwortlichen Umgang mit unseren Ressourcen. So etwas lässt sich konzeptionell denkenden Menschen leicht vermitteln. Deshalb suchen wir vor allem den Kontakt zu Architekten und Innenarchitekten. Gerade bei bespoke projects bekommen wir von Innenarchitekten immer wieder tollen Input.


Generell kann man sagen: Mit solchen Stoffen weckt man Aufmerksamkeit und neues Interesse. Im Gespräch über "Benu" haben sich schon interessante Projekte entwickelt. Konzeptstarke Projekte gibt es vor allem in der Hotellerie und Gastronomie. "Der Wilde Mann" in Bad Urach und das Biohotel Bavaria in Garmisch-Partenkirchen sind zwei solcher Beispiele, die ihr Nachhaltigkeitskonzept auch über die Einrichtung spielen und dafür unsere "Benu's" eingesetzt haben.

In der Loungeecke ist der
Der wollig anmutende

IF: Würden Sie sagen, dass man ressourcenschonend produzierte Textilien anders inszenieren muss als konventionelle Stoffe, zum Beispiel, um den ökologischen Gedanken zu unterstreichen?


Michael Fischbacher: Nun, was wir den Innenarchitekten liefern, sind ja Halbfertigprodukte, diese zu inszenieren ist deren Aufgabe.


Camilla Fischbacher: Ich finde nicht, dass man alternativ gewonnenen Stoffen ihre Herstellung ansehen muss oder darauf verweisen sollte. Sie sollen anhand ihrer Qualität überzeugen. Nur so werden sie irgendwann herkömmliche Polyesterstoffe verdrängen und zum Standardtextil in der Einrichtung werden. Deshalb ist uns wichtig, bei der Entwicklung von Textilien genau das Gegenteil erreicht zu haben: Alternative Materialinnovationen und hohe Ansprüche an Qualität, Funktionalität und Design sind kein Widerspruch mehr. Es ist der ökologische Gedanke des Käufers, der eine Haltung zeigt.

IF: Welche ökologischen Vorteile bringt Recyclingpolyester noch?


Camilla Fischbacher: Für einen gewebten Meter Stoff werden bis zu 17 0,5-Liter-PET-Flaschen verwertet. Das ist hochwertiges Upcycling. Was das für die Produktion bedeutet, kann man in etwa ausrechnen: Mit einer Tonne recyceltem Polyester sparen wir in der Produktion ca. 4.800 Liter Wasser, 230 kg CO2-Emissionen, 500 kW/h Energie und reduzieren den Anteil von chemischen Zusätzen in der Produktion um etwa 16 kg.


Nachhaltigkeit bedeutet für mich aber auch noch etwas anderes, nämlich, beim Einkauf auf gute Qualität zu achten und die sorgsam ausgewählten Produkte lange zu gebrauchen. Wir bedienen mit unseren Entwürfen keine kurzfristigen Trends. Bei uns gilt: Jedes Stück, das es in die Gesamtkollektion geschafft hat, muss sich mindestens fünf Jahre lang in der Kollektion halten. Wenn es richtig gut ist, wird es in der Folge zu einem Klassiker der Kollektion – wie unser "Visconte". Den würde ich auch nicht noch mal neu erfinden, und der besteht seit 1970!

IF: Wie geht es nun weiter? Was sind Ihre nächsten Ziele?


Camilla Fischbacher: Ziel ist, eine so breite Auswahl an Recyclinggarnen zu haben, dass wir das Garn allein nach dem Thema der Kollektion wählen können. Da sind wir schon weit gekommen: Wir haben eine große Auswahl an Qualitäten.


Unser neuestes Produkt ist der "Benu Cocoon", ein Jacquard in Birkenoptik mit einer interessanten Haptik. Durch die Mélange farblich unterschiedlicher Garne entsteht eine natürlich anmutende Oberfläche.


Michael Fischbacher: Bis auf die "Sea"- und die "Baumwoll"-Kollektion "Benu Remix" sind unsere "Benu's" aus normalem Recyclingpolyester gefertigt. Langfristig würden wir natürlich gern alle unsere Produkte aus "Benu Sea", also aus Upcycling-Meeresplastik, herstellen. Voraussetzung für jede Neuerung ist allerdings immer, dass der Markt sie auch aufnimmt.


www.fischbacher.com

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