02.07.2020

Lichtdesign in historischen Mauern

Das Kreuzgewölbe im Radisson Collection Hotel Tsinandali

Farben wie hier sind in den historischen Mauern des ehemaligen Weinkellers kaum eingesetzt. Die Mehrzahl der Räume lebt allein von einem: dem richtigen Licht. Foto: Tom Vack

Für das Lichtkonzept setzte Ingo Maurer nicht nur auf seine bereits bekannten Designleuchten, sondern schuf auch neue Objekte, darunter die "Butterflies Dreaming" und die "Glowing Wings" im VIP-Dinner-Raum. Es war eines seiner letzten Projekte. Ingo Maurer verstarb wenige Monate später.

Das Radisson Collection Hotel liegt inmitten der Weinberge Kachetiens, auf dem Anwesen des historischen Weinguts Tsinadali, etwa zwei Autostunden von Tiflis entfernt. Die Bausubstanz der ehemaligen Weinkellerei stammt aus dem Jahr 1886. Das Mauerwerk ist über die Jahrhunderte gut erhalten geblieben und bildet heute den Kern des architektonischen Konzepts: Es ist das alte Gemäuer, umgeben von Weinbergen, das den Charme des Hotels ausmacht.


Architektur, Hotelkonzept und die Gestaltung der Zimmer und Suiten lag bei dem spanischen Architekten Damian Figueras. Ingo Maurer und Team entwickelten das Interior- und Lichtdesign. Für das Lichtkonzept griff das Team auf Modelle der "Collection" zurück, schuf aber auch neue Leuchten.


"Der Ort hat eine starke Aura, der Respekt vor den Ruinen stand an erster Stelle", sagte Ingo Maurer rückblickend. Entsprechend dient das gesamte Gestaltungskonzept der In-Licht-Setzung des Mauerwerks, das je nach Inszenierung mal archaisch wirkende, mal avantgardistisch anmutende Orte schafft.

Die Gestaltung der "Hall" beruht allein auf dem Zusammenspiel von Licht und Mauerwerk. Die dimmbare "Oh Mei Ma Kabir Weiss" (Ingo Maurer & Team, 2007) am Deckengewölbe setzt den Raumakzent. Das Material, Metall, Glas und sechs mattweiß lackierte Aluminiumblätter werden von 2x39 LEDs mit einer Farbtemperatur von 2.700 Kelvin angeleuchtet. Eine einzelne blaue LED setzt einen weiteren Lichtakzent.


Die angrenzende Lobby lebt von der raumgreifenden Sofaskulptur – und der Leuchte "Flying Disc" (Ingo Maurer und Team, 2016). Die "Flying Disc" ist ein sehr leichtes Objekt aus Glasfaser, Kohlefaser, Metall und Kunststoff für die indirekte Beleuchtung, das, nur mit drei dünnen Drähten befestigt, unter der Decke zu schweben scheint. Die dünne weiße Diffusorscheibe streut blendfreies Licht. Beleuchtet wird sie durch einen Ring hochwertiger LEDs, der von einem Stab gehalten wird.


Sowohl die Länge des Stabes als auch der Winkel des Ringes zum Raum kann individuell eingestellt werden. So kann die Diffusorscheibe auch asymmetrisch ausgeleuchtet und der Beleuchtung zusätzliche Dynamik verliehen werden.

Ein eigens für das Hotel entworfenes Design ist der skulpturale Flaschenlüster, der in der Lounge gleich mehrmals verbaut wurde. Einen "Mid-Century-Modern"-Touch vermitteln die Leuchten "Ringelpiez Table" (Ingo Maurer, 2017) aus der "Collection". Sie sind eigentlich für den Gebrauch auf Tischen und Sideboards konzipiert, hier jedoch säumen sie als Stehlampen die Fenstergewölbe. Der Schirm "Frivoloso" in Grün und Weiß ist nicht nur formal ein wichtiges Detail, sondern dient auch der Entblendung.


Im "Crossvault Room", dem Kreuzgewölbe mit bodenlagen Gewölbefenstern, die den Blick auf das Weingut freigeben, schafft die ebenfalls eigens entworfene "Butterflies Dreaming" abendliches Outdoor-Flair mit artifiziellem Anstrich: Schmetterlings-Repliken umschwirren (oder flüchten?) eine nackte, überdimensionierte Glühbirne. Gesäumt werden die Stützwände des Kreuzgewölbes von den Design-Leuchten "Queen Trude", deren Lampenschirm aufgerollten Wachswaben nachempfunden scheint.


Für das Deckenfresco des Restaurants ließ sich Ingo Maurer von den Höhlenmalereien von Lascaux inspirieren. Der Entwurf für das Fresco stammt von ihm selbst, umgesetzt wurde der Entwurf vom Atelier de Fac-Similés du Périgord, das bereits für andere Projekte originalgetreue Nachbildungen der Höhlenmalereien erstellt hatte.

Das Gewölbe des Restaurants zieren Leuchten des Modells "Floatation" (Ingo Maurer, 1980) aus Japanpapier, die mit einem Baldachin aus weiß lackiertem Metall in den Raum ragen. An einem roten Eisenring, der die rötlichen Pigmente des Frescos im Farbton aufgreifen, lässt sich die Höhe verstellen.


Im "Passageway", der Haupteingang und Lobby miteinander verbindet, zeigt sich beim Blick an das Deckengewölbe ebenfalls eine Bildszene, wenn auch mit modernem Zuschnitt: Auf dem Stahlträger, der die acht Kupferleuchten trägt, heben sich drei Silhouetten ab: Eine Frau mit Weinflasche in der einen und Revolver in der anderen Hand eilt voraus, ein ebenfalls mit Weinflasche in der Hand wild gestikulierender Mann folgt ihr, dem Paar wiederum folgt ein bellender Hund. Die Darstellung darf vermutlich als humoristischer Kommentar zum übrigen Raum verstanden werden: Im "Passageway" ist das Weinsortiment des Hauses ausgestellt.

Das Wasserspiel „Spitting Heads" auf der Außenterrasse folgt einem ganz ähnlichen Design: Von nicht sichtbarer Kinetik gesteuert, neigen sich zwei skizzenhaft gezeichnete Gesichtsprofile einander zuprustend zu.


Im Hintergrund ereignet sich im Tages- und Sonnenverlauf ein komplexes Schattenspiel: Die Außenfassade des "Ballrooms" ist ein Ziegelbau mit einzelnen prominent hervorgehobenen, quer gemauerten Steinen mit großem Vorsprung und entsprechendem Schattenriss.


Zentral im Innenhof gelegen, ist das Wasserspiel auch von vielen Innenräumen aus zu sehen. Der Terrassenboden ist mit großen hellen Travertin-Platten im römischen Verband belegt. 

Weitere Neu-Kreationen sind die "Glowing Wings" im "VIP Dinner Room" und die Leuchte im "Ballroom": Letztere besteht aus drei großen mit LED-Bändern versehenen Aluminiumringen, die ringsum mit Glühbirnen besetzt sind, die wiederum indirekt von dem Lichtband im Ring beleuchtet werden.

Für die Interpretation der neuen Räume orientierte sich das Team auch an der handwerklichen Tradition Georgiens. Ein markantes Element sind die von Ingo Maurer entworfenen "Tikkas": Bänke mit Bezügen aus bis zu 200 Jahre alten, originalen Teppichen und Kelims in traditionellen Farben und Mustern.

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