19.06.2020

Interior Award: Stoffe und ihre Interpreten

Fotos: MFS / Collage: IF

Auch der beste Stoff braucht einen guten Interpreten, der es gekonnt einzusetzen weiß. Der in diesem Jahr erstmals vergebene Interior Award des Münchner Stoff Frühlings ist herausragenden textilen Projekten in der Objekteinrichtung gewidmet. Die Preisträger spiegeln die Vielfalt und Kreativität der deutschsprachigen Einrichtungsszene.

„Viele Neuheiten verkaufen sich wie von selbst. Es gibt aber auch viele aufwändige und besondere Stoffe, Tapeten und Teppiche, die man nur wenige Male im Jahr verkauft. Dann aber stehen sie oft im Zentrum eines außergewöhnlichen Projekts", erklärte Pascal Walter, Textildesigner und Jury-Mitglied. Solchen Projekten und den beteiligten Planern und Konfektionären wolle man mit dem Award die ihnen gebührende Aufmerksamkeit schenken.


Raumausstatter, Innenarchitekten, Einrichter, Interiordesigner und Architekten waren eingeladen, ihre Arbeiten einzureichen. Eine unabhängige Jury entschied über 140 Bewerbungen in den Kategorien "Trade", "Contract | Hotel", "Contract | Restaurant", "Home" und "Manufaktur". Außerdem gab es Sonderpreise für den besten lokalen und den besten Pop-up-Showroom.


Entscheidungskriterien waren der gelungene Einsatz von Textilien, die hohe Qualität der Arbeit, die kreative Leistung und die erzeugte Ästhetik.


In der Fachjury saßen: Annette Brunner (Vorsitzende BDIA Bayern), die Fachredakteurinnen Barbara Friedrich und Anne Gelpke, Pascal Walter (Textildesigner und Stylist) und Klaus Scharf (Vorstand Münchner Stoff Frühling e.V.).

Die Preisträger im Einzelnen:

"Schaufenster und Showroom sind ein textiles Highlight"

Den Interior Award in der Kategorie "Trade" erhielt der Showroom Becker Interior in Köln, vertreten von Jan Becker. "Die Schaufenster und der Showroom von Becker Interior sind ein textiles Highlight", sagte Klaus Scharf, Vorstand des Münchner Stoff Frühlings, in seiner Laudatio. "Ob lässiges Playa-Feeling, opulente Couture aus feinsten Brokatstoffen oder minimalistisches Bauhausflair, in den kuratierten Ausstellungen sind Stoffe immer das zentrale Thema."
Auch im digitalen Bereich nutze Becker Interior als einer der ersten Einrichter weltweit Virtual Reality mit Laser-Video-Technik und erschaffe so im virtuellen Raum magische Orte individuellen Wohnens. Mit nahezu 100 internationalen Textilfirmen bestehen laut Becker langjährige Verbindungen. So ließen sich auch ausgefallene Sonderwünsche erfüllen. "Becker Interior führt die textile Tradition seit mehr als 117 Jahren lebendig, mutig und engagiert fort", so das Fazit der Jury.

"Der Gast soll sich an die Räume erinnern"

Für ihre Gestaltung des Hotels WunnersWat im ostwestfälischen Verl erhielt das Duo Kathrin Reinkemeier und Michael Humpert den Preis in der Kategorie "Contract | Hotel". WunnersWat will ist ostwesfälisch und bedeutet: "Etwas Einzigartiges, etwas ganz Besonderes".


Diesem Anspruch wird auch das Interior gerecht: Die Innenarchitektin Kathrin Reinkemeier, Leiterin des Büros Innen&Außen, und Raumausstatter Michael Humpert "haben mit Fingerspitzengefühl eine Historie in Farbe getaucht", sagte Annette Brunner in ihrer Laudatio.


Der Fachwerkbau von 1612, der das Hotel beherbergt, wurde behutsam modernisiert, die historischen Elemente in Szene gesetzt und spielerisch neu aufgegriffen. Eine fantastische und fantasievolle Gestaltung von Innenräumen, die Mut zu Farbe und Form zeige, so das Fazit der Jury.

Wie Hollywood in den 1950ern: Femininer Diners-Look

Den Interior Award in der Kategorie "Contract | Restaurant" erhielt Stephanie Thatenhorst für das Interior Design des Restaurtans Lilli P. in München. Die Innenarchitektin überzeugte die Jury mit einem Interieur, das sich - wie sie selbst sagt - aus dem Fenster lehne, resümierte Anne Gelpke in ihrer Laudatio.


Thatenhorst ließ sich von der Adresse des Restaurants inspirieren: Lilly-Palmer-Straße. Lilly Palmer war eine Hollywood-Ikone der 1950er Jahre. Deshalb entschied sich Thatenhorst als Kontrast zur gleichförmigen Neubau-Umgebung des Lokals für zarte Rosé- und Grüntöne sowie runde, weiche Formen. Sitze, die mit Velours und Leder bezogen sind, unterstreichen den feminen Diner-Look. "Den klar geformten Räumen von Architekt Antonio Citterio verleiht Stephanie Thatenbach Individualität und zeigt, wie man mit der richtigen Gestaltung stilvoll Kontraste setzt", so das Fazit der Jury.

Alles andere als hanseatisch kühl

Den Interior Award in der Kategorie "Home" erhielt Ulrike Krages von UK3 Urban Interiors für die Gestaltung des Urban Comfort Showrooms in der Hamburger Parkallee. Eine besondere Herausforderung war die sensible Renovierung der Altbauetage mit Original-Stuck und -Fliesendesign in der Küche.


"Kreativ und stilsicher ist der Einrichtungsmix aus modernem Design und Antiquitäten sowie der lockere Umgang mit Teppichen, Tapeten und Textilien", so Barbara Friedrich in ihrer Laudatio.


Alles andere als hanseatisch kühl sei die Handschrift von Ulrike Krages, die für Originalität im Interior Design stehe. Krages sagt: "Wenn Menschen keine Individualität pflegen, fehlt ihren Häusern die Seele." Dem kann die Jury nur zustimmen.

Die perfekte Welle aus weißem Tuch

Den Interior Award in der Kategorie "Manufaktur" erhielten die Jording Meisterwerkstätten für die textile Deckengestaltung im Hotel Sempachersee in Nottwil in der Schweiz. Laudator Pascal Walter lobte es als Beispiel für den "gekonnten Einsatz von Textilien in moderner Architektur aus Stahl und Glas". Stoffe in moderner Architektur einzusetzen, gelte heute als schwierig.


Dazu brauche es besondere Ideen. Die ausführenden Designerinnen Lucia Burtscher und Cornelia Delius hätten für das Projekt um die Ecke gedacht und aus einem einfachen weißen Stück Stoff in 6 Metern Höhe "die perfekte Welle" geschaffen. Das Textil sei bemerkenswert inszeniert, die Ausführung hervorragend. Das Ergebnis sei hoch qualitativ, sehr ästhetisch und trage entscheidend zur Raumatmosphäre und -akustik bei.
Das Fazit der Jury: Ein Beispiel für technische Raffinesse und handwerkliche Präzision.

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