24.04.2020

Licht in bewegten Raumskulpturen

National Museum Qatar in Doha eröffnet im März 2020

Die Architektur des National Museums von Qatar ist einer Sandrose nachempfunden. Fotos: Danica O. Kus / LKL

Berliner Büro plant architektonisch integrierte Lichterzählung

Das National Museum of Qatar führt durch 700 Millionen Jahre Natur- und Kultur-geschichte im Golfstaat. 2019 wurde es nach zehnjähriger Bau- und Planungsphase eröffnet. Die Architektur des Pritzker-Preisträgers Jean Nouvel ist einer Sandrose nachempfunden, die architektonisch sensibel integrierte Lichtplanung stammt vom Berliner Lichtplanungsbüro "Licht Kunst Licht": Lichtdesignerin Martina Weiss und Team haben ein Zusammenspiel aus spärlichem, jedoch raumdefinierendem Tageslicht, inszenierendem Deckenlicht und differenzierter Vitrinenbeleuchtung entworfen.

Sitz des Museums ist der 1906 erbaute und einst von der königlichen Familie bewohnte Alte Palast des Sheikh Abdulla bin Jassim Al Thani (1880 – 1957). Durch den Neubau hat es eine Erweiterung um 40.000 qm erfahren.


Die Fülle und die Diversität der Exponate im National Museum of Qatar holen Besucher mit verschiedensten Interessen ab. Die Qualität, Abfolge und Präsentation der Exponate erzeugen wechselnde Themenwelten, die alle Sinne ansprechen. Das Licht spielt dabei eine subtile, jedoch maßgebliche Rolle.


Das fein austarierte Zusammenspiel der Komponenten aus spärlichem, jedoch raum-definierenden Tageslicht, inszenierendem Deckenlicht, differenzierter Vitrinenbeleuchtung und den Wandprojektionen der Medienplaner erzeugt visuelle Eindrücke, die lange nachhallen.

Die Architektur des Gebäudes spiegelt die tiefe Verbindung der einst nomadischen Bevölkerung Qatars mit der Wüste wider: Sie ist einer Sandrose nachempfunden, einem bizarren Gebilde, das meist aus Sandkörnern besteht, die in einen Kristall aus Gips oder Baryt eingebettet sind. Große, bauchige Scheiben, Überschneidungen und Auskragungen charakterisieren den Bau.


In seinem Inneren finden sich sehr unterschiedliche Raumtypologien. Kleine Kabinette, die die Intimität der Nomadenzelte beschwören, gibt es ebenso wie kathedralenhaft nach oben strebende Räume, die die Weite des Himmelszelts zitieren. Das Tageslicht fließt wohldosiert durch Fugen, Öffnungen und Zwickel in das Gebäude – denn wegen konservatorischer Vorgaben galt es, das kraftvolle, harte Sonnenlicht der Region zu zügeln. So enthüllt das einfallende natürliche Licht zwar die Formgebung vieler Räume, hält aber meist respektvollen Abstand zu den Exponaten.

Die Ausstellung führt den Besucher über einen 2,7 km langen Parcours, der bei der geologischen Entstehung der katarischen Halbinsel einsetzt und bis in die Gegenwart führt. Dabei werden alle Wissensgebiete aus Natur und Gesellschaft berücksichtigt.

Die rasante Entwicklung des Landes von einem losen Verbund nomadischer Stämme und Perlentaucher hin zur technologieaffinen und wohlhabenden Gesellschaft der Gegenwart wird anhand verschiedenster Exponate und mit zahlreichen Videoprojektionen oder auf Displays illustriert. Dabei werden archäologische Funde und Kunsthandwerk ebenso in den Fokus gerückt, wie jüngste wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Zugleich finden Auftragsarbeiten namhafter lokaler und internationaler Künstler dort ihren Ort.


Das Lichtkonzept musste den gegenständlichen und medialen Präsentationsformen Rechnung tragen, was schon früh zu der Idee von zwei Lichtlayern führte. Umgesetzt wurde sie mit gut entblendeten, justierbaren Leuchten in den Deckenpaketen und mit in Vitrinen integrierten, weitgehend unsichtbaren Miniaturleuchten.

Die Platzierung der Leuchten erfolgte nach einem komplexen Algorithmus aus Verdichtung und Auflösung: Projektionen und Displays durften nicht durch Lichtquellen gestört werden. Zudem berücksichtigt die Anordnung der Deckenleuchten die Standorte der Vitrinen, die ihr eigenes Licht mitbringen. Bei freistehenden Exponaten und einem speziellen Typ hochtransparenter Vitrinen wiederum kommt druckvolles, brillantes Licht aus der Decke zum Zuge.


Im gesamten Museum werden 3.000 K Farbtemperatur verwendet. In Verbindung mit dem stark zonierten Licht und den eher niedrigen Beleuchtungsstärken entsteht so bisweilen der Lichteindruck eines nächtlichen Lagerfeuers.

Die Deckenleuchten bestehen aus Richtstrahlern, die bündig in die skulpturalen Abhangdecken eingebaut sind. Das Licht wirkt durch kleine "Pinhole"-Öffnungen in einer größeren, bündig eingelassenen Abdeckung in Deckenfarbe.


Die weitgefächerten Raumgeometrien sowie die höchst unterschiedlichen Proportionen der Ausstellungsstücke bedingten für die Richtstrahler diverse photometrische Eigenschaften. Drei unterschiedliche Lichttechniken kommen dort zum Einsatz: Spot, Medium und Flood.


Je nach Bedarf wurden sie kombiniert mit Rillenlinsen für eine elliptische Aufweitung des Lichtkegels in Wandnähe oder mit Wabenrastern für stark geneigte Deckenfelder. Dabei treten die entblendeten Leuchten als Lichtquellen im Deckenbild kaum in Erscheinung.

Eine echte Herausforderung hierbei war die Verortung der richtigen Lichttechnik in den hochskulpturalen Räumen. Da eine 2D-Plandarstellung hierbei wenig hilfreich war, mussten für jede Raum- und Exponatssituation das virtuelle 3D-BIM-Modell sowie Detailschnitte konsultiert werden. Gleichzeitig war das Ziel, eine gewisse Ordnung in der Deckengrafik zu bewahren und, wo möglich, Fluchten und Raumpunkte aufzunehmen.


Eine weitere Besonderheit ist die individuelle Justierbarkeit und Dimmbarkeit der Leuchten mittels IR-Fernbedienung. Die kardanisch gelagerten Strahlereinsätze können bis zu ±35° geschwenkt und ±175° gedreht werden. Dies erleichtert das Einrichten der Beleuchtung enorm und ermöglicht zudem eine flexible Anpassung an künftige Änderungen der Ausstellung. Hier wären sonst Rollgerüste und Hubsteiger nötig.

Die Vitrinen sind von ähnlicher Diversität wie die Ausstellungsräume selbst. Die Lichtlösung ist deshalb individuell auf jede Vitrine und ihren Inhalt abgestimmt. Während frei im Raum stehende, entmaterialisierte Glasvitrinen ausschließlich aus den Deckeneinbaurichtstrahlern beleuchtet werden, nutzen alle Vitrinen, die Verschränkungen mit der Architektur ausbilden, etwa mit der Decke, dem Boden oder der Wand, verdeckte Lichtelemente.


Diese sind modular aufgebaut: Ein Profil nimmt die Verdrahtung auf, die Miniaturstrahler und Lichtprofile werden dann nach Bedarf wie gewünscht eingeklickt und ausgerichtet.


Bei anderen Konfigurationen werden die Leuchten mittels Magneten an einer stromführenden Schiene mechanisch und elektrisch angebunden.

Über Licht Kunst Licht: Das Lichtplanungsbüro Licht Kunst Licht AG mit Niederlassungen in Bonn und Berlin besteht seit 1991. Gründer ist Andreas Schulz. Das Arbeitsfeld umfasst Büro- und Verwaltungsgebäude, Museen und Kulturbauten, Repräsentationsgebäude, staatliche Projekte, Verkehrsbauwerke, Shoppingcenter und private Bauvorhaben.


Kunstlicht- und Tageslichtplanung stellen gleichwertige Bereiche dar. Zurzeit arbeiten 26 Mitarbeiter aus den Disziplinen Lighting Design, Architektur, Innenarchitektur, Szenografie, Elektrotechnik und Produktdesign als Team an unterschiedlichsten Planungsaufgaben.

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