04.07.2022

Mit Weitsicht geplant

Fotos: Marcus Bredt (soweit nicht anders angegeben)

Anfang März wurde nach knapp drei Jahren Bauzeit der neue Aldi Nord Campus in Essen-Kray eröffnet. Der rund 100.000 qm große Gebäudekomplex wurde von BAID Architekten aus Hamburg entworfen und ist für die Unternehmensgeschichte des Essener Discounters ein bedeutender Meilenstein. Auf einer Fläche so groß wie 14 Fußballfelder bietet der Neubau eine hochmoderne, agile Arbeitswelt. Ein Arbeitsumfeld, das viel Raum für Kooperationund Kommunikation in neuen Arbeitsweisen bietet. Damit ist der Aldi Campus ein Symbol für den Transformationsprozess der Unternehmensgruppe Aldi Nord.

Die neue Unternehmenszentrale ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in die Zukunft des Unternehmens, das den Discount-Handel einst erfunden hat, sich nun aber einer gänzlich veränderten Wettbewerbssituation stellen muss. Neue Arbeits und Kommunikationsstrukturen, die einen schnellen und offenen Austausch unter den Abteilungen und Mitarbeitern, Externen und Internen ermöglichen, werden hier in Architektur abgebildet.

Der Aldi Nord Campus besteht überwiegend aus Open Space Büros, Co-Working Flächen und Kommunikations-Hubs für unterschiedlichste Ansprüche. Bei insgesamt rund 1.200 festen Arbeitsplätzen im Hauptgebäude gibt es weniger als 50 Einzelbüros. Eine zentrale Cafeteria und das Betriebsrestaurant bieten einen direkten Bezug zu der weitläufigen Parklandschaft mit Wasserbassins, Kräutergarten und Joggingstrecke, die von Wes Landschaftsarchitekten entworfen wurde. Ergänzt wird der Bürokomplex um ein Parkhaus mit großer PV-Anlage auf dem Dach, einer Kindertagesstätte und einem Sportpavillon.

Mit dem Genius loci entworfen

Entstanden ist der Aldi Nord Campus im Industriegebiet von Essen-Kray. Auf dem Grundstück hatte Aldi Nord ein riesiges Warenlager betrieben und auf der direkt angrenzenden Liegenschaft steht die bisherige Unternehmenszentrale, die aktuell saniert und vom "Erfinder des Discounts" weiter genutzt wird. BAID Architekten setzten sich 2016 mit dem 1. Platz beim geladenen Architektenwettbewerb durch und entwickelten für Aldi Nord eine differenzierte und elegante Architektursprache, die weit über die Grenzen des neuen Campus hinaus sichtbar ist.


"Der Campus wurde entworfen und geplant nach den Erfordernissen und Wünschen eines modernen Unternehmens, vertrauend auf die eigene Geschichte und die Zukunft im Blick."


– Architektin Jessica Borchardt, Gründerin und Geschäftsführerin von BAID

BAID stellen mit ihrem Entwurf die ursprüngliche Topografie des Grundstücks wieder her und gestalteten den etwa 10 m hohen Geländeversprung mit dem Aushub für die Neubauten. Aus dieser Modellierung leiteten die Architekten die Leitidee für den gesamten Campus ab: Auf Terrassenebenen ordneten die Architekten die funktional gegliederten Nutzungseinheiten triangelförmig um den Hochpunkt des Campus – einen sechsgeschossigen Büroturm – an. BAID reagierten mit ihrem aufgelockerten Campus-Entwurf auch auf das angrenzende, kleinteilige Stadtbild von Essen-Kray und entwickelten zugleich ein neues grünes Quartier: Auf dem Campus werden rund 450 Bäumen neu gepflanzt.

Nachhaltigkeit und Weitsicht

BAID entwickelte für den Campus eine nachhaltige Architektur, die DGNB Gold zertifiziert ist. Entscheidende Nachhaltigkeitsfaktoren sind die große PV-Anlage auf dem Dach des Parkhauses, die konsequente intensive Dachbegrünung der Gebäude, die Nutzung der Geothermie über Wärmepumpen, ein Lüftungskonzept mit Wärmerückgewinnung und eine effiziente Grundversorgung des Campus mit Wärme und Strom über ein Blockheizkraftwerk. Besondere Elemente sind die drei Wasserflächen auf dem Campus, die das anfallende Regenwasser – auch von den Gebäudedächern – auf dem Grundstück sammeln. Dabei steigern die Bassins, die dank ihrer Gestaltung viel mehr als reine Regenrückhaltebecken sind, zugleich die Aufenthaltsqualität auf dem Campus und verbessern gleichzeitig das Mikroklima auf dem Areal deutlich.

Der Inbegriff für nachhaltiges Bauen ist für Jessica Borchardt jedoch, wenn ein Gebäude seinen Nutzern lange verlässlich dient und nicht bereits nach ein paar Jahrzehnten ersetzt werden muss, da es nicht mehr zur Unternehmensstruktur passt. Daher plant BAID all seine Projekte mit größtmöglicher Weitsicht und legt die Gebäude möglichst flexibel und anpassungsfähig an. Der Aldi Nord Campus ist dafür ein gutes Beispiel: Der Wettbewerbsentwurf von 2016 war für rund 600 Mitarbeiter ausgelegt. Durch die für den Neubau eingeführte und für Aldi somit neue Open-Space-Büronutzung finden nun bei nahezu unveränderter Kubatur mehr als doppelt so viele Mitarbeiter Platz. Die Firmenzentrale ist während der mitgewachsen. Exemplarisch wurde infolge veränderter Führungs- und Kommunikationsstrukturen auf den im Turm als Doppeletage geplanten Vorstandssitzungssaal verzichtet. Stattdessen konnten mit einer nachträglich in Systembauweise eingezogenen Zwischenetage zusätzliche Arbeitsplätze generiert werden.

Zudem steht auch eine erste, damals bereits mitgedachte Erweiterung kurz vor der Übergabe. BAID hat die Architektur von Beginn an so ausgelegt, dass noch zwei weitere Ausbaustufen folgen können. Als besonders herausfordernd erweist sich bei solchen wachsenden Projekten die Vorhaltung der zusätzlichen Kapazitäten für Lüftung, Klima, Kommunikation. Da die begrünte Dachlandschaft von Installationen frei gehalten werden sollte, sorgt nun ein gigantisches unterirdisches Bauwerk für die notwendigen Versorgungseinrichtungen der Haustechnik. Zusammen mit dem geplanten Umbau der Bestandszentrale finden perspektivisch mehr als 2.000 Mitarbeiter auf dem Campus Platz.

"Das moderne Gebäude erfüllt hohe Nachhaltigkeitsstandards und bietet genug Platz für alle Mitarbeiter von Aldi-Nord – ein wichtiger Schritt, um die neuen Organisationsstrukturen des Unternehmens in Architektur abzubilden und als Arbeitgeber die zeitgemäßen Erwartungen an einen modernen und interessanten Arbeitsplatz zu erfüllen", betont Torsten Janke, Geschäftsführer der Albrecht KG und als Bauherr verantwortlich für den Aldi Nord Campus.

Zwangsläufig zufällige Begegnungen

Die gesamte Gestaltung des Aldi Nord Campus bildet eine zeitgemäße Unternehmenskultur in Architektur ab, in der die Kommunikation und der Austausch untereinander im Mittelpunkt stehen. Die große Plaza in der Mitte des Bürokomplexes ist dabei das Herzstück des neuen Aldi Nord Organismus. Um den Luftraum, der sich über bis zu fünf Geschosse erstreckt, gruppieren sich mit den sogenannten Kommunikations-Hubs zahlreiche Angebote für spontane Meetings. Über und durch die Plaza führen alle Verkehrswege – jeder bewegt sich zwangsläufig durch die Plaza. Auch der Hauptzugang zum Bürokomplex führt direkt in den zentralen Knotenpunkt.


"Horizontal und vertikal mit der zentralen Plaza verbunden, ermöglicht unsere Architektur zwangsläufig zufällige Begegnung und barrierefreien Austausch über alle Bereiche."


– Jessica Borchardt

Konstruktion und Formensprache

Die Plaza ist stützenfrei ausgeführt und wird von einem riesigen, filigran gegliederten Glasdach üppig belichtet. Ihr direkt angegliedert sind die wichtigsten Zusatzangebote für die Aldi-Mitarbeiter: der Hörsaal, das Mitarbeiterrestaurant und das Café & Deli. Beide gastronomischen Einrichtungen verfügen durch die übergroßen Glasschiebetüren über einen direkten Zugang zu den terrassierten Außenterrassen an den beiden Seen. Zwischen den einzelnen Gebäudeteilen öffnet sich die Plaza mit ihren offenen Glasflächen zu allen Seiten in die Parklandschaft. Blickfänger in der Plaza sind die beiden vertikalen Grünwände, die das Mikroklima und die Akustik in dem großen Luftraum merklich verbessern. Gleichzeitig sorgen diese im Zusammenspiel mit zahlreichen Akustikmaßnahmen, die alle Wand und Deckenflächen einschließen, für eine angenehme Atmosphäre.

 


Die Grundrissform der Plaza ist die prägende geometrische Figur für den gesamten Campus. Die signethafte Formensprache mit abgerundeten Drei- bzw. Vielecken zieht sich durch alle Gestaltungselemente, von den Grundrissen des Empfangsund Sportpavillons und der Kita, bis hin zu raumprägenden Elemente wie Oberlichtern, Fenstern oder Objekten in den Gebäuden.

BAID konzipierte das Gebäude als Stahlbetonskelettbau mit einer klassisch modernen Bandfassade aus vorgehängten weißen Aluminiumelementen. "Die geschwungenen Baukörper präsentieren sich durch ihre elegante Form als modernes Haus unserer Zeit", sagt Jessica Borchardt. Die horizontalen Geschossdecken springen vor und stärken die lineare Anmutung. Raumhohe Fensterelemente mit einer Dreischeibenisolierverglasung bieten eine optimale Tageslichtausbeute für die Büroflächen.

Bei der Innenraumgestaltung hat BAID nach dem Motto "schlicht und klar" gehandelt und sich auf vergleichsweise wenige, aber durable Materialien und Oberflächen beschränkt: es dominieren Glas, helle Wände und Decken, in den Büroräumen liegt akustisch wirksamer und robuster Teppichboden in verschiedenen Graustufen und in den Verkehrswegen und in der Plaza wurde ein heller Terrazzoboden gegossen. Als Kontrast zu den enormen Dimensionen der offenen Bereiche hat Baid zur Steigerung der Behaglichkeit mit großflächigen und wegen der Akustik mikroperforierten Holzflächen gearbeitet. Möblierungen und Dreieck-Leuchten im CI-Blau von Aldi Nord lockern als Schmuckfarbe hier und dort die Gestaltung gezielt auf.


www.baid.de