03.03.2021

Hochwertig, nachhaltig und schnell

Farbige Glaspaneele stehen für die Vielfalt einer demokratischen Selbstverwaltung. | Visualisierung: Sauerbruch Hutton

Schnell soll es gehen, aber trotzdem nachhaltig geplant sein: Bis zur Bundestagswahl im Herbst sollen 400 neue Abgeordnetenbüros im Berliner Regierungsviertel entstehen - und zwar in modularer Holzbauweise. Wie das funktioniert, haben die Architekten um Sauerbruch Hutton, Kaufmann Bausysteme und Projektentwickler Primus Development bereits 2016 in Hamburg beim Bau des vielfach ausgezeichneten, modularen Studentenwohnhauses "Woodie" gezeigt.

Ausschlaggebend für den Zuschlag der drei Unternehmen, die als Bietergemeinschaft bei der öffentlichen Ausschreibung auftrat, war neben dem Entwurf in nachhaltiger Holzbauweise die extrem kurze Bauzeit: Der Deutsche Bundestag wird den liebevoll "Luise" genannten Neubau bereits zum 1. Januar 2022 beziehen können.


"Mit seinem schlichten H-Grundriss reagiert das Gebäude auf sein komplexes Umfeld. Die so entstehenden Innenhöfe belichten die 400 entstehenden Büros durch Tageslicht. Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über den südlichen Innenhof. Im nördlichen Innenhof entsteht, geschützt durch eine Schallschutzwand aus Glas und eingerahmt von den Gebäudeflügeln, ein grünes Herz für die Nutzer des Gebäudes. So entsteht zwischen Stadtbahn und Regierungsgebäuden ein im Regierungsviertel einzigartiges, innovatives Gebäude", beschreibt Projektentwickler Primus Developments den Entwurf.

Sieben Vollgeschosse inklusive Erdgeschoss sowie einem kleineren Technikgeschoss als sogenanntem Staffelgeschoss soll das Gebäude fassen. Der H-förmige Grundriss orientiert sich an der Kammstruktur des benachbarten Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses.
„Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt und einer zeitsparenden Fertigung ist es uns trotz der bahnbrechenden Technik wichtig, das Gebäude in den Genius Loci zu integrieren. Der Bau nimmt die Höhe und Volumetrie des gegenüberliegenden Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses auf und schließt zur Stadtbahn die Baukante mit einem gläsernen Volumen. Mit der zurückhaltenden silbernen Fassadenverkleidung wird dem Sichtbeton der benachbarten Abgeordnetenhäuser entsprochen; einige farbige Glaspaneele in den Fenstern weisen diskret auf die Lebendigkeit und die Vielfalt hin, durch die sich die deutsche Volksvertretung auszeichnet", erläutert Architekt Matthias Sauerbruch das ästhetische Konzept des Bürogebäudes. 

Die verwendeten Materialien – hauptsächlich Vollholz in den Bürobereichen sowie Stahlbeton im Erdgeschoss und Erschließungsbereich – sollen am fertigen Gebäude sichtbar bleiben. Der weitaus größte Teil der Fassaden wird von den Außenverkleidungen der Holzmodule geprägt.


Jedes der Module erhält bereits im Werk ein Fensterelement als Holz-Aluminiumkonstruktion, das aus einem festverglasten Bereich und einem Öffnungsflügel besteht. Metallverkleidungen sowie Fassadenelemente aus farbigem Glas werden nach Montage der Module in vorbereitete Halterungen eingehängt. Die Produktion der Holzmodule im Berliner Werk des österreichischen Generalübernehmers Kaufmann Bausysteme ist bereits gestartet. Parallel dazu läuft der Bau der aus Stahlbetonfertigteilen erstellten Bereiche des Erdgeschosses und des zentralen Atriums.


Über Ausstattung und Beschaffenheit der einzelnen Raummodule wollen Sauerbruch Hutton in den nächsten Wochen informieren. Die Gestaltung wird aber wohl, ähnlich wie beim Vorgängerprojekt "Woodie", wesentlich durch die Konstruktionsmaterialien bestimmt sein.

Universal Design Quartier, Hamburg, genannt
Die Raummodule entsprechen höchsten akustischen und Materialstandards und werden schlüsselfertig angeliefert | Grafik: Sauerbruch Hutton
Hoher Wohnkomfort dank ökologischer Werkstoffe wie Brettschichtholz aus Fichte | Foto: Jan Bitter
Die Apartments werden inklusive aller Einbauten geliefert. Alle Oberflächen sind holzsichtig belassen. | Foto: Jan Bitter

Nach "Wood Cycle"-Konzept errichtet

Bei dem Projekt wird das sogenannte "Wood Cycle"-Konzept umgesetzt: Die 2.500 m³ Holz, die hier verbaut werden, speichern während des Gebäudelebenszyklus 2.500 t CO2. Darüber hinaus hat sich der Generalunternehmer Primus Development dazu verpflichtet, die für den Bau benötigten Bäume nachpflanzen zu lassen.


Städtebaulich fügt sich der Entwurf in die umgebende Bebauung ein und greift Elemente wie die Blockrandbebauung auf. Auf den Schutz eines unmittelbar angrenzenden, erhaltenen Abschnitts der Berliner Mauer sowie des benachbarten Kunstprojekts „Parlament der Bäume" wird bei der Planung und Ausführung des Bauvorhabens besonders geachtet.


Durch die Kombination des Bauens mit einem nachwachsenden Rohstoff und der modularen Bautechnologie entsteht somit ein besonders nachhaltiges und innovatives Gebäude, das im Regierungsviertel einzigartig ist.

Modulbauweise

Die Modulbauweise hat in den vergangenen Jahren als Alternative zu konventioneller Bauweise an Bedeutung gewonnen. Insbesondere bei Wohnungs- und Schulbauten oder Kindertagesstätten kommt sie immer häufiger zum Einsatz, um kurzfristigen Bedarf zu decken. Der Zeitvorteil ergibt sich insbesondere daraus, dass die Module witterungsunabhängig vorfabriziert und auf der Baustelle dann nur noch montiert werden müssen. Die Module können zudem bereits mit Teilen der Haustechnik, Fenstern und sogar Bodenbelägen ausgestattet sein. Rohbau und Ausbau können damit, anders als im konventionellen Bau, durchgehend parallel stattfinden.


 


www.kaufmannbausysteme.at | www.sauerbruchhutton.de | www.primus-developments.de

Öffentliche Ausschreibung über das BBR

Um seinen dringenden und auch perspektivisch hohen Bedarf an Büroflächen zu decken, hat der Deutsche Bundestag das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Januar 2020 damit beauftragt, einen Büroneubau nördlich des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses zu errichten. Die 400 neuen Abgeordnetenbüros sollen bereits nach der Bundestagswahl Ende 2021 zur Verfügung stehen. Genaue Vorgaben zur Bauweise wurden nicht gemacht, allerdings der Gedanke einer System- oder Modulbauweise von Beginn an nahe.


Mit einer besonderen Form der Zusammenarbeit geht der Bundesbau bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung neue Wege: Die Bietergemeinschaft verantwortet als sogenannter Generalübernehmer / Generalunternehmer zentral alle Planungs-, Herstellungs- und Bauleistungen für das Projekt. Damit soll die ungewöhnlich kurze Bauzeit gewährleistet werden. Das Vergabeverfahren wurde unter Leitung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung durchgeführt.