30.01.2018

"Von guten Zufällen und dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip"

Markus Bischof kreiert Produkte mit Identität. Fotos: Markus Bischof/Bianca Schmidt

Aus seiner Feder stammen bis dato über 300 Konzepte, Entwürfe und Produkte für die unterschiedlichsten Branchen. Design-Preise und Auszeichnungen untermauern seinen Erfolg. Markus Bischof, 1980 in der Nähe von Bamberg geboren und seit 2010 mit seinem eigenen Design-Büro in Nürnberg beheimatet, kreiert Produkte mit Identität. Seine Entwürfe sollen Menschen begeistern, nachhaltig am Markt existieren und neben der Funktion vor allem Emotion transportieren. Cornelia Raidel und Bianca Schmidt haben den ausgesprochen sympathischen Designer in seinem Nürnberger Büro besucht und über schicksalshafte Begegnungen, unkonventionelle Entwicklungsprozesse und neue Ideen gesprochen.

IF: Markus, du hast eine Ausbildung zum Tischler gemacht und dann an der Fachhochschule Coburg Produktdesign studiert. Wann hast du bemerkt bzw. entschieden, dass du Designer werden willst?
Markus Bischof: Das war ein schleichender Prozess. Als Kind war Modellfliegen eine meiner Leidenschaften, und somit bin ich schon früh mit Formen und Technik in Berührung gekommen. Außerdem habe ich immer an Sachen gebaut – das klingt vielleicht merkwürdig, aber ich habe damals aus diversen Materialien Leuchten gebaut, die tatsächlich auch funktioniert haben und unterschiedliche Wirkung hatten. Eigentlich wollte ich Berufsschullehrer werden – deswegen bin ich nach der Ausbildung nochmals auf eine weiterführende Schule gegangen. Durch ein Gespräch mit der Studienberatung habe ich dann vom Produktdesign erfahren, war sofort begeistert und habe mich in Coburg beworben. Es war also eher Zufall als Plan. Aber das war schon oft so bei mir, dass Sachen einfach passiert sind ... mein Schicksal und ich sind zum Glück gut befreundet.

IF: Zum Beispiel auch das Praktikum bei Karim Rashid?
Markus: Absolut, ursprünglich wollte ich an die Westküste der USA. Ich hatte ein Stipendium für ein Praktikum in Nordamerika, habe zahlreiche Bewerbungen verschickt, und das Resultat war ernüchternd. Ein Freund meinte dann, ich solle mich doch bei Karim Rashid bewerben. Mein erster Gedanke war: Ja klar, genau bei der Person wird es klappen, dessen Porträt zufällig auch in der ersten Design-Zeitschrift war, die ich mir je gekauft hatte. Trotzdem habe ich die Bewerbung geschickt und ein paar Stunden später kam die Zusage. Also eigentlich auch wieder ein Zufall. Ich finde das gut, denn meiner Meinung nach sollte der Grundweg im Leben schon einer gewissen Berechnung entsprechen, aber man braucht eben auch viel Platz für Zufälle.


IF: Man sollte also ein paar Schlangenlinien auf dem Weg einplanen?
Markus: Davon bin ich überzeugt. Das ist vergleichbar mit einer Autofahrt: Nimmt man den Weg auf der Autobahn, ist man schnell von A nach B gefahren, aber unterwegs passiert recht wenig. Auf der Bundesstraße dagegen entdeckt man vielleicht tolle Ortschaften, die Natur und kulturelle Ereignisse. Analog nimmt man einfach nur einen anderen Weg, und dieser ist für den menschlichen Werdegang oftmals eine Bereicherung.


IF: Was hast du aus der Zeit bei Karim Rashid mitgenommen – auch was deinen Design-Ansatz betrifft?
Markus: Ich habe als gelernter Schreiner immer mit zweidimensionalen Materialien gearbeitet. Während des Studiums wurde meine Formensprache organischer, und in meinen Studienarbeiten und den Designs von Karim hat man einige Parallelen sehen können. Diese organische Formensprache hat sich dort weiterentwickelt, und heute bewege ich mich zwischen dieser und meinem handwerklichen Grundgen. Meine Herangehensweise würde ich als selbständig und mutig bezeichnen – ich hinterfrage gerne, und die eigene Vision zu entwickeln, ist mir wichtig. Gleichzeitig habe ich aber auch den handwerklichen Blick, der auf Erfahrung und Tradition basiert. Wir haben uns viel mit der kommerziellen Nutzbarkeit befasst. Und das war, glaube ich, die größte Lehre aus dieser Zeit: die kommerzielle Nutzbarkeit im Auge zu behalten, sie aber nicht das Hauptkriterium der Neugestaltung werden zu lassen.


IF: Wenn man deine Arbeiten betrachtet, kann man schon feststellen, dass du ein sehr großes Spektrum hast, das von Produktdesign bis hin zu ganzen Raumkonzepten reicht. Wieviel Innenarchitekt steckt in dir?
Markus: Ich bin gerne 100% Gestalter. Eigentlich interessiert mich alles, was den Menschen und seine Bedürfnisse angeht, man trägt eine große Verantwortung und kann viel entdecken und bewegen. Ich kann Räume betreten und mir geht das Herz auf – genauso kann ich mich aber auch unsicher und schlecht fühlen. Ebenso gibt es Produkte, die mir Freude bereiten und ein Gefühl von Komfort vermitteln, aber eben auch Dinge, die schlichtweg dumm sind. Ich denke, ein Gestalter mit offenen Augen und einem 360-Grad-Blick ist eben nicht nur Produktdesigner oder Innenarchitekt. Ich finde es beruhigend, wenn mir etwas vertraut ist, dann kann ich es auch einfach zulassen, mich zu einem gewissen Maß mit neuen Dingen auseinanderzusetzen. Vertrautheit und Innovation zu binden, ist für mich sehr wichtig.


IF: Diese beiden Komponenten in Einklang zu bringen – ist das ein Grundsatz, den du in allen deinen Entwürfen verfolgst?
Markus: Mein Leitsatz bzw. das Credo des Büros ist "Products beyond function", bei dem besonders die Einbindung ehrlicher Emotion und der Mehrwert eine große Rolle spielen. In meinen Entwürfen muss es immer etwas geben, das den Menschen anspricht und ihn einbindet. Im Entwicklungsprozess spreche ich gern vom Pippi-Langstrumpf-Prinzip, das lautet: "Ich mach mir die Welt, widewidewie sie mir gefällt!" Wie würde in meiner perfekten Welt die Aufgabe zu lösen sein? Es ist eine intuitive Phase, in der ich erst einmal jedes Wissen vom Kunden, Recherchen oder irgendwelche Studien und Vorgaben vernachlässige und es zunächst nur um das Thema geht! Das ist sehr intim, ich spiele Bedürfnisse, Rituale und Alltagsrhythmen nach, und daraus ergeben sich erste intuitive Lösungen! Danach beginnt eigentlich erst der klassische, strategische Prozess, bei dem ich die Informationen des Kunden einhole, recherchiere und analysiere. Das Schöne dabei ist, dass sich meistens die intuitiven Ansätze und unbedarften Entwürfe vom Anfang durchsetzen. Daher gefällt mir das Pippi-Langstrumpf-Prinzip so gut, denn es lässt uns die Sache naiv und mutig angehen.

IF: Gibt es Materialien, mit denen du besonders gerne arbeitest?
Markus: Ich habe kein Lieblingsmaterial, denn jedes Material hat seine Charaktere, Besonderheiten und Eigenschaften. Ich versuche allerdings, auf Materialkombinationen im Sinne von untrennbaren, nicht recycelbaren Verbindungen zu verzichten. Durch meine Lehre habe ich viel mit den Materialien Holz, Glas und Kunststoff gearbeitet und in meiner Zeit bei Trumpf Maschinenbau den Werkstoff Stahl sehr schätzen gelernt. Für die Firma Mauser habe ich letztes Jahr ein komplettes Stauraumprogramm aus Stahl entwickelt, das Material hat mir hierbei viel mehr Möglichkeiten in der Detaillierung eröffnet, als es ein Holzwerkstoff hätte leisten können. Der Entwurf ist sehr leicht und modular aufgebaut, es gibt eine Vielzahl an neuen Lösungen und eine ganzheitliche Qualität, die dem Möbel Stärke und Eleganz verleiht.

IF: Bei der Gestaltung der Büromöbel für Mauser hast du dich sicherlich auch mit den Veränderungen in der Arbeitswelt beschäftigt. Wie beurteilst du diesen Wandel, der die Büromöbelbranche aktuell auf Trab hält?
Markus: Grundsätzlich finde ich die momentanen Bestrebungen, die Arbeitswelt und -kultur zu ändern, wichtig. Wir verbringen den größten Teil unserer Zeit am Arbeitsplatz, und dementsprechend sollten wir uns an diesem Ort auch wohlfühlen. Das stellt vor allem die Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmer vor Herausforderungen. Eine interessante Entwicklung ist beispielsweise die gestiegene Flexibilität, allerdings spielt hierbei auch die emotionale Komponente eine große Rolle. Stichwort Gewohnheit: Wenn ich persönlich nicht weiß, wo am nächsten Tag mein Arbeitsplatz ist, würde ich innerlich unruhig werden. Hier kann eine gestalterische Maßnahme schnell zum psychischen Problem beim Arbeitnehmer werden. Man muss in diesem Bereich unbedingt mehr über Wahrnehmung und Psychologie nachdenken und nicht nur über Gestaltung oder Möbel. Bei der Konzeption von Büros spielt natürlich auch die Branche und die Unternehmenskultur eine große Rolle. Auf dem Adidas-Campus funktionieren unkonventionelle Arbeitsmodelle zum Beispiel wunderbar. Auch die berühmten Google-Büros sind verspielt und passen sicherlich gut zum Unternehmen – das Konzept ist jedoch nicht 1:1 auf andere übertragbar, zumindest nicht auf eine kleine oder mittelständische Firma mit traditioneller Unternehmenskultur. Eine gute Beratung und eine ordentliche Aufklärung ist erforderlich, damit neue Einrichtungslösungen vom Personal auch zielorientiert genutzt werden. Gönne ich mir als Unternehmer eine Mittelzone, muss ich damit zurechtkommen, dass dort Menschen sein werden, die dort arbeiten, obwohl es nach Pause aussehen könnte. Man kann auch im kleinen Maßstab einiges bewirken, und wer bei der Ergonomie anfängt (höhenverstellbare Tische, Akustik, ordentliches Licht) schafft sich schon mal eine gesunde Basis. Damit kommen auch nicht gleich riesige Investitionen auf die Unternehmen zu. Aber ein Kicker im Foyer macht den 100 Jahre alten Familienbetrieb sicherlich nicht zum hippen Start-up-Büro.


IF: Abschließend würden wir gerne von dir wissen, welches Projekt dir auf der Seele brennt bzw. welches Produkt du gerne gestalten würdest?
Markus: Ich würde sagen, ich bin für ziemlich alles offen. Mittelfristig wünsche ich mir, ein Haus mit allen meinen Produkten einrichten zu können. Ich finde es großartig, wenn alles ineinandergreift und eine starke Einheit bildet. Ein Thema, das mich auch sehr beschäftigt, ist Universal Design. Also die Gestaltung von Produkten für alle Menschen, eben auch für die mit körperlicher oder geistiger Einschränkung. Dabei sollen gut durchdachte Produkte entstehen, die Sicherheit vermitteln und damit die Selbstständigkeit fördern. In diesem Bereich gibt es kaum Produkte, die eine Begehrlichkeit ausstrahlen, aktuell wird meist die reine Funktion in den Vordergrund gestellt.


IF: Markus, vielen, vielen Dank für das sehr nette Gespräch!


www.markusbischof.de


Das Interview ist in der Ausgabe 3|2017 von InteriorFashion erschienen.

In Zusammenarbeit mit einer befreundeten Innenarchitektin entwickelt Markus Bischof mit Herzblut auch Interior-Design-Konzepte. Bei der Gestaltung des neuen Restaurantbereichs im Hotel Sheraton in Hannover stehen kräftige Farben, elegante Akzente in Gold und ein besonderes Lichtkonzept im Fokus.