01.03.2021

Vollholzbau und Vollholzmöbel

Fotos: Hamish John Appleby

Das Familienhotel Weimar war 2012 deutschlandweit das erste innerstädtische Hotel, das in Vollholzbauweise errichtet wurde. Gemeinsam mit Architekt Jörg Weber (r33 Architekten) hat Inhaber Anselm Graubner den ökologischen Grundgedanken bei Planung und Umsetzung bis ins Detail verfolgt.

IF: Herr Graubner, wieso haben Sie sich für den Baustoff Holz entschieden?

Anselm Graubner: Bei Gebäuden entsteht ein großer Teil der Umweltbelastung bereits beim Bau bzw. beim Abriss. Forscher gehen bei dieser sogenannten Grauen Energie von bis zu einem Drittel der Gesamtbelastung aus. Aus diesem Grund sind wir schnell auf Holz als hauptsächlichen Baustoff gekommen, denn es ist klimaneutral und unsere 400 Kubikmeter verbautes Holz können eine Menge CO2 speichern.


Holz ist zudem langlebig – gut gebaute Holzhäuser können bis zu 1.000 Jahre alt werden. Mit Holz verkürzt sich auch die Bauzeit. Wir konnten unsere vorgefertigten Elemente innerhalb von drei Wochen zu einem Haus aufrichten. Und mit dem System Massivholzmauer hatten wir ein ausgereiftes und noch dazu bezahlbares System gefunden, das auf ge- nagelten Brettern basiert und ohne Klebstoffe auskommt.


Und besonders wichtig im Hotelbau ist die gute Wohnqualität und das gute Raumklima durch natürliche Baustoffe: Auch nach sieben Jahren ist das ein Argument, das uns täglich im Markt hilft – damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, das nur schwer zu kopieren ist.

IF: Welche Materialien und Elemente haben Sie außerdem gesetzt?

Wo immer es möglich war, haben wir nachwachsende und schadstoffarme Rohstoffe eingesetzt. Neben Holz waren es Dämmplatten aus Holzweichfasern, Hanfwolle im Dachbereich und natürlich Lehm, einer der preiswertesten und gesündesten Baustoffe überhaupt. Die Technik haben wir so gestaltet, dass die Betriebskosten möglichst gering bleiben. Die Wärme wird über ein Blockheizkraftwerk erzeugt, das gleichzeitig den Strom der Grundlast (4,7 kW) erzeugt. 

IF: Herr Weber, wie haben Sie das Thema Nachhaltigkeit gestalterisch umgesetzt?

Wir hatten mit dem Thema des ökologischen Bauens unser Grundthema definiert. Daraus ließen sich die Konstruktion und das Design leicht ableiten. Wir wollten auch keine Spanplatten im Möbelbau verarbeiten, da wir den Klebstoffen misstrauten. Vollholzmöbel sind in geringen Stückzahlen vom Tischler individueller und günstiger zu bauen als von der Möbelfabrik, und so haben wir mit regionalen Handwerksbetrieben zusammengearbeitet.

IF: Welche Herausforderungen birgt der Vollholzbau?

Wichtig sind präzise Vorplanung und genaue Abstimmung mit den nachfolgenden Gewerken. So können z. B. die Schlitze für die Installationen schon im Werk in die Wände gefräst werden – das spart später viel Zeit vor Ort. Besonderes Augenmerk erfordert der Schallschutz, da Holz nun mal ein guter Schallüberträger ist. Das Problem ist mit entkoppelten Bauteilen in den Griff zu bekommen.


Auch die Statik darf nicht unterschätzt werden, da Stahlbeton stabiler ist als Holz. Hierbei half uns die Vorgabe, dass das Treppenhaus aus Brandschutzgründen in Beton gebaut werden musste, da wir nur einen Fluchtweg haben. Deshalb ist das Treppenhaus in der Mitte des Gebäudes angeordnet und fungiert dort auch als Stütze des Holzbaus.

IF: Ist Vollholzbau teurer?

Natürlich ist eine Dämmung aus Styropor zunächst einmal billiger als eine Holzweichfaserplatte. Aber die Entsorgung von Styropor oder PVC-Belägen ist ebenfalls teuer geworden, weil durch strengere Vorschriften inzwischen die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten besser erfasst werden als noch vor einigen Jahren.


Wir müssen bei den Kosten immer den kompletten Lebenszyklus betrachten, nicht nur die ersten 15 oder 20 Jahre. Danach kommen Sanierungen oder Umbauten und am Ende muss ein Haus auch entsorgt werden können. Diese weiteren Kosten muss man ehrlich mit einkalkulieren, um vergleichen zu können. Wir bedenken schon bei der Planung und der Konstruktion eine spätere Sanierung mit. Gute Baustoffe, wohlüberlegt eingesetzt, sind in der Gesamtbetrachtung immer günstiger.

www.r33-architekten.de | www.familienhotel-weimar.de


 


Lesen Sie das vollständige Interview in InteriorFashion 4/2019

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Modernes Arbeiten im Lowtech-Gebäude

Die Alnatura Arbeitswelt in Darmstadt ist das größte Bürogebäude mit Stampflehmfassade und integrierter geothermischer Wandheizung in Europa. Das klimaneutrale, natürlich belichtete und belüftete Gebäude verfügt über 13.500 m² Bruttogeschossfläche, ist als offene Bürolandschaft für 500 Mitarbeiter konzipiert und perspektivisch erweiterbar. Das Baumaterial Lehm prägt sowohl die äußere Gestalt als auch die Innenarchitektur, die als offene Arbeitslandschaft in einem einzigen, sich über mehrere Stockwerke entwickelnden Raum konzipiert ist. Dank der großzügigen Raumhöhe und der lichtoptimierten Gebäudegeometrie mit einem offenen,

asymmetrischen Dachfirst kann das Tageslicht auf allen Stockwerken voll ausgeschöpft werden. Für seine ressourcenschonende Bauweise erhielt das Lowtech-Gebäude mit sehr guten Ökobilanz den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 in der Kategorie "Architektur".


Zunächst galt es jedoch, Vorbehalte gegenüber dem Baustoff Lehm auszuräumen, erzählt Architekt Martin Haas anlässlich der Preisverleihung. Sein Büro haascookzemmrich musste für den bis dato in Deutschland nicht zugelassenen Baustoff eine Einzelfallzulassung einholen. Ausschlaggebend für die Materialwahl war die Frage: Wie baut man ein Haus, wenn die Energievorkommen erschöpft sind? Gesucht war ein Material mit einem hohen eingebundenen Energieniveau, das außerdem leicht rückbaubar sein sollte. Gemeinsam mit dem Lehmbauer und -konstrukteur Martin Rauch und Transsolar Energietechnik entwickelte sein Büro anschließend einen thermisch aktiven Stampflehmstein, der im Austausch mit der Außenluft steht und in beide Richtungen Wärme abgibt.


Das Ergebnis liege nun mit einem Kostenaufwand von weniger als 1800 Euro pro Quadratmeter sogar unter dem Standardpreis einer gewöhnlichen Büroimmobilie. Das nach DGNB-Platin-Standard zertifizierte Gebäude speist seine Energie aus eigenen Geothermie- und Photovoltaikanlagen und verfügt zur Vortemperierung der natürlichen Belüftung über einen Erdkanal. | www.alnatura.de