01.03.2021

"Holz ist nicht unbeding teurer"

The Cradle Düsseldorf Interior

Markant ist die Holzwabenfassade, die auch die Innenarchitektur des Gebäudes konturiert. | Visualisierung: Interboden / HPP Architekten

Abreißen, neu bauen: Die Wegwerfmentalität ist in der Bau- und Immobilienwirtschaft weit verbreitet. Mit dem Holzhybridbau „The Cradle" im Düsseldorfer Medienhafen zeigt die Interboden Gruppe nun, dass es auch anders geht, und sammelt in der Umsetzung des nach Cradle-to-Cradle-konzipierten Gebäudes Wissen, das auch anderen Projekten zugutekommen soll. Carsten Boell, Geschäftsführer des Projektentwicklers Interboden Innovative Gewerbewelten gibt Einblick.

The Cradle ist ein Holzhybridbau. Was genau heißt das?

Hybrid bezieht sich auf etwas gebündeltes, vermischtes oder gekreuztes. Beim Holzhybridbau geht es, wie der Name schon sagt, um die Vermischung von Holz mit anderen Materialien – in diesem Fall allem voran Beton und Stahl. Gelungene Hybridformen mischen wir da, wo es Sinn macht. Daher haben wir Holz überall verwendet, wo es seinen Zweck erfüllt und zur Stabilisierung, Statik und Brandschutzthemen mit Beton und Stahl als Verbindungsmittel ergänzt. So sind beispielsweise die Decken, die Innenstützen, Unterzüge und viele Teile der Außenfassade aus Holz, wodurch wir einen großen Teil Beton einsparen konnten.

Stilprägend ist die wabenförmige Holzfassade. Welches Holz eignet sich für diese Bauweise?

Das sichtbare und äußere Tragwerk der Fassade ist in den Obergeschossen aus Holz. Generell sind Nadelhölzer für den Außenbereich geeignet, da sie einen geraden Wuchs und eine geringe Dichte aufweisen und daher im Außenbereich eine lange Lebensdauer haben. Wir benutzen hierfür Lärchenholz, welches mit Leimverbindung ein stabiles Tragwerk bildet. Die Lärche gehört zu den schwersten und härtesten Hölzern und überzeugt durch Dauerhaftigkeit und Beständigkeit.


Zu beachten ist, dass schnellwachsende Holzsorten auch ihre Inhaltsstoffe schneller frei geben und sich auf den Biorhythmus auswirken. Daher sind langsam wachsende Holzsorten aus nachhaltiger Forstwirtschaft generell gesünder und besser geeignet. Darüber hinaus spielen Emissionswerte und Astwuchs noch eine Rolle bei der Auswahl. Wir beziehen unser Holz gemäß der Cradle-to-Cradle-Vorgaben nur aus nachhaltiger Forstwirtschaft und verwenden daher natürlich auch kein Tropenholz.

Unterscheiden sich die Holzsorten hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften?

Weiche Holzsorten, zumeist Nadelhölzer sind nicht so widerstandsfähig im Vergleich zu harten Bäumen, zumeist Laubholz. Hier gilt jedoch: Ausnahmen bestätigen die Regel. Nicht jeder Nadelbaum ist weich und nicht jeder Laubbaum hart. Hier muss man entsprechend des Verwendungszwecks die passenden Holzsorten mit den jeweiligen Gebrauchseigenschaften aussuchen. Für die Stützen nehmen wir gepresste Buche, da diese eine hohe Festigkeit aufweist. Darüber hinaus sorgt das Holz für eine gute Feuchtigkeitsregulierung: Buche nimmt die Feuchtigkeit schnell auf und gibt diese entsprechend schnell auch wieder ab.

Kiefer beispielsweise verwenden wir nicht, da diese bereits von Natur aus Aldehyde und Terpene beinhaltet und wieder freigibt. Die Haltbarkeit von Holz ist ewig, wie man bei Fachwerkhäusern ja sehen kann. Wichtig ist, dass Außen ein konstruktiver Holzschutz verwendet wird, der zum einen im Sinne von Cradle-to-Cradle ist und zum andern vor Witterung schützt.

Welche Bauteile außer der Fassade können noch durch Holz ersetzt werden?

Bei der Fassade ist das Tragwerk aus Holz, die thermische Hülle jedoch besteht aus einer Glas- bzw. Fensterfront. Beton ersetzen wir durch Holz insbesondere in den Decken. Hier steckt der höchste Grad an „Betoneinsparung" im Gebäude. Hinzu kommen viele Innenstützen aus Holz. Zudem ist die Pfosten-Riegel-Konstruktion im Erdgeschoss mit Holzelementen geplant.

Ändern sich die Brandschutzanforderungen, wenn ein Gebäude zu großen Teilen aus Holz besteht?

Die Anforderungen bleiben die gleichen, egal welches Material. Natürlich müssen wir bei einem Holzhybrid bestimmte Gebäudeteile entsprechend des Brandschutzes berücksichtigen. So verwenden wir beispielsweise größere Stützen als normal, um die Statik und das Abbrennverhalten des gesamten Gebäudes zu verbessern. Den Kern des Erdgeschosses sowie der Treppenhauskern ist komplett aus Beton geplant.

Wie wirkt sich Holz auf das Klima im Gebäude aus?

Der Baustoff Holz wirkt sich positiv aus. Es reguliert die Feuchtigkeit, kann Schadstoffe binden und dämmt Geräusche. Darüber hinaus ist Holz für Allergiker und Asthmatiker gesundheitsfördernd, beruhigt das Herzkreislauf- und Nervensystem und hat hervorragende energetische Qualitäten: Im Winter strahlt es Wärme und im Sommer Kühle aus.


Durch seine hervorragenden energetischen Eigenschaften beeinflusst Holz auch das Heiz- bzw. Kühlverhalten der Nutzer und damit automatisch deren Nebenkosten, die dann niedriger sind. Wenn das Holz zusätzlich noch behandelt wird, kann man bestimmte Effekte noch zusätzlich verstärken.

Wie sieht es mit der Pflege aus?

Im Prinzip ist keine zusätzliche Wartung erforderlich, insbesondere im Innenbereich. Feuchtigkeitssensoren messen daher stetig dir Raumfeuchte, damit das auch so bleibt. Im Außenbereich ist das ganze Thema durch die Witterung etwas schwieriger. Licht, Regen und andere äußere Einflüsse greifen das Holz an und führen zur Vergrauung. Diesem „used look" muss man mit einem UV-Anstrich entgegentreten, der zirka alle acht Jahre erneuert werden muss – genauso wie eine verputzte Fassade auch gereinigt und alle paar Jahre gestrichen werden muss. Im Außenbereich – bei Stützen und beim Dach – werden wir außerdem Feuchtigkeitssensoren einbauen.

Ist Holz teurer als andere Baustoffe?

Das kommt auf die Ausgestaltung der Flächen und Fassaden an. Im Vergleich zu einem klassischen Betongebäude ist das Material sicherlich auf kurze Sicht teurer. So ist auch eine Holzdecke teurer als das Pendant aus Beton. Jedoch lassen sich die Materialien ja wiederverwenden und in den Materialkreislauf zurückspielen, was bei Beton nur mit extrem hohem Aufwand möglich ist. Wenn man beispielsweise Klinker an der Fassade oder andere Details im Innenraum verbaut, ist die Holzalternative auch nicht teurer. Am Ende ist es immer eine Frage der Detailliebe und des Verwendungszwecks. An einer so exponierten Lage im Düsseldorfer Medienhafen hätten wir auch kein 0815-Bürogebäude aus Beton erstellt.

Wo kommt das Holz für "The Cradle" her?

Aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Europa. Da wir unterschiedliche Holzsorten – je nach Einsatzgebiet – verwenden, kommen die Materialien auch aus verschiedenen Regionen. Im Vordergrund stehen hier intelligente Verarbeitungs- und Lieferketten. „Regional" bedeutet in diesem Fall nicht gleichzeitig nachhaltig, da die Verarbeitung nicht vor Ort geschieht. Wenn wir zum Beispiel Holz aus NRW nehmen würden, dieses aber nur in einem anderen europäischen Land bearbeitet werden kann, sind die Fahrtwege am Ende natürlich länger, als wenn man das Holz im Ausland kauft und auf dem Weg bearbeiten lässt. Hier muss man für jede Verwendung die intelligenteste und effizienteste Logistik ermitteln. So sparen wir bei der Gebäudeerstellung bereits einen Großteil CO2 ein.

Verringert Holz den Carbon Footprint des Gebäudes?

Ja, auf jeden Fall. Insbesondere durch die Verwendung von Holz in den Decken sparen wir enorm viel CO2 ein. Berechnungen zufolge gut ein Drittel im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden. Umgerechnet sind das 83 Mio. gefahrene PKW-Kilometer. Während der Herstellung und nach Fertigstellung des Gebäudes erfolgt eine genaue Berechnung.


www.interboden.de | www.the-cradle.de